Rz. 4

Verfügungsberechtigter ist jede Person, die rechtlich und tatsächlich über Mittel, Wirtschaftsgüter, Sachen oder Rechte verfügen kann. Der Begriff des Verfügungsberechtigten ist grundsätzlich weit auszulegen.[1] Er wird allerdings durch das Wort "soweit" in Einzelfällen eingeschränkt. § 35 AO meint jedoch nur diejenigen Verfügungsberechtigten, die nicht selbst der Rechtsinhaber (Eigentümer, Gläubiger) sind, sondern mit Wirkung für andere verfügen können.[2] Für die Rechtsinhaber bedarf es nicht der Überleitung der Pflichten nach §§ 34, 35, AO, da sie bereits die eigentlichen Stpfl. sind.[3] Tatsächliche Handlungen allein begründen keine Verfügungsberechtigung.

Mit dem Teilwort "Verfügung" im Begriff des Verfügungsberechtigten knüpft die Vorschrift an das bürgerliche Recht an. Dieses unterscheidet scharf zwischen den Verpflichtungsgeschäften (Übernahme einer Leistungspflicht) und den Verfügungsgeschäften. Letztere sind unmittelbar darauf gerichtet, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen, zu belasten oder aufzuheben.[4] Während sich im bürgerlichen Recht die Verfügung auf Sachen oder Rechte beziehen muss, reicht für die Anwendung des § 35 AO eine Verfügung über irgendwelche wirtschaftlichen Mittel, also auch über Wirtschaftsgüter, die nicht Sachen oder Rechte sind.[5] Es ist dabei unbeachtlich, ob die Verfügung im eigenen oder im fremden Namen geschieht.

 

Rz. 5

Berechtigt zu Verfügungen ist eine Person, die kraft Rechtsgeschäfts, Gesetzes, behördlicher oder gerichtlicher Anordnung das Recht zu ihnen hat. Entscheidend ist dabei die tatsächliche Stellung im Außenverhältnis. Es ist ausreichend, wenn eine Person zu der Verfügung nach außen berechtigt, also rechtlich in der Lage ist, auch wenn die Person im Innenverhältnis zu ihr nicht befugt ist, weil sie etwa zur Einhaltung bestimmter Grenzen verpflichtet ist. Bei vielen Verfügungsberechtigten, insbesondere bei denjenigen kraft Gesetzes bzw. behördlicher oder gerichtlicher Anordnung, werden bereits die Voraussetzungen eines der Fälle des § 34 AO erfüllt sein (z. B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter). Dann tritt § 35 AO hinter § 34 AO zurück (vgl. aber auch die den Vorrang nicht so klar einhaltende Rspr. des BFH in Rz. 1).

Eine Verfügungsmacht kann für ein Handeln im fremden Namen (Vertretung) oder im eigenen Namen bestehen. Im Fall der Vertretung entspringt sie der Vertretungsmacht.[6] Zu einer Verfügung im eigenen Namen kann eine an sich nicht berechtigte Person durch den Rechtsinhaber ermächtigt werden.[7] Die Verfügungsmacht kann auf Gesetz, einer gerichtlichen oder behördlichen Anordnung oder auf Rechtsgeschäft beruhen.[8]

[1] So Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 35 AO Rz. 1.
[3] Vgl. Erl. zu § 33 AO.
[4] Palandt/Heinrichs, BGB, 78. Aufl. 2019, Vor § 104 BGB Rz. 3d.
[5] Ebenso Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 35 AO Rz. 8; Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 35 AO Rz. 3; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 35 AO Rz. 3.

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