Rz. 4

§ 348 Nr. 1 AO schließt einen erneuten Einspruch "gegen Einspruchsentscheidungen"[1] aus. Mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ist das Einspruchsverfahren abgeschlossen.[2] Ein weitergehender Rechtsschutz wird durch die finanzgerichtliche Klage gewährt, für die das Vorliegen der Einspruchsentscheidung nach § 44 FGO Sachentscheidungsvoraussetzung ist.

 

Rz. 5

Auch gegen eine nach § 367 Abs. 2a AO ergangene Teil-Einspruchsentscheidung und eine aufgrund § 367 Abs. 2b AO erlassene Einspruchsentscheidung durch Allgemeinverfügung ist der Einspruch ausgeschlossen.[3]

 

Rz. 6

Nicht ausgeschlossen ist dagegen der Einspruch gegen eine "Scheineinspruchsentscheidung"[4], also einen Verwaltungsakt, den die Finanzbehörde fälschlicherweise als "Einspruchsentscheidung" erlassen hat.[5] Kann die ohne Einspruch gegen diesen Verwaltungsakt erhobene Klage durch das FG nicht nach § 45 Abs. 2 FGO zur Entscheidung an die Behörde abgegeben werden[6], sind dieser jedenfalls die Kosten des Klageverfahrens nach § 137 S. 2 FGO aufzuerlegen.[7]

 

Rz. 7

Der Ausschluss des Einspruchs nach § 348 Nr. 1 AO gilt auch dann, wenn die Einspruchsentscheidung den Stpfl. oder einen Dritten erstmalig beschwert oder sie eine zusätzliche Beschwer enthält.[8] Nach Auffassung des BFH ist die unmittelbare Klage in diesen Fällen zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten. Die isolierte Durchführung eines Vorverfahrens gegen die Einspruchsentscheidung stellte einen überflüssigen Formalismus dar. Gleiches gilt, wenn die Familienkasse in einem Einspruchsverfahren in Kindergeldsachen die nach § 77 EStG erforderliche Kostenentscheidung (z. B. bei einer Teilstattgabe oder einer Zurückweisung des Einspruchsbegehrens) im Rahmen der Einspruchsentscheidung trifft. Die Kostenentscheidung ist dann Teil der Einspruchsentscheidung, die ebenfalls nach § 348 Nr. 1 AO nicht mit einem erneuten Einspruch anfechtbar ist.[9]

 

Rz. 8

Für einen dem Einspruch vollständig abhelfenden Vollabhilfebescheid findet § 348 Nr. 1 AO dagegen keine Anwendung. Gegen einen solchen ist der Einspruch statthaft.[10]

§ 348 Nr. 1 AO schließt den Einspruch ausdrücklich nur "gegen Einspruchsentscheidungen"[11] aus. § 367 AO regelt die Entscheidung der Finanzbehörde über den Einspruch durch Einspruchsentscheidung oder Abhilfe. Aus § 367 Abs. 2 S. 3 AO folgt, dass es nach Erlass eines Abhilfebescheids, der dem Antrag des Einspruchsführers vollständig Rechnung trägt, einer Einspruchsentscheidung nicht mehr bedarf. Ein solcher Vollabhilfebescheid steht zwar einer Einspruchsentscheidung insofern gleich, als beide das Einspruchsverfahren wegen des vorangehenden Bescheids beenden und eine Fortsetzung bzw. Ergänzung jenes Einspruchsverfahrens danach nicht mehr möglich ist. § 348 Nr. 1 AO schließt den Einspruch gegen eine Einspruchsentscheidung aber nicht wegen der das Einspruchsverfahren beendenden Wirkung der Einspruchsentscheidung aus, sondern deshalb, weil gegen eine Einspruchsentscheidung der Rechtsweg zum FG eröffnet ist und der Einspruch gegen eine Einspruchsentscheidung eine nicht endende Kette von Einspruchsverfahren zur Folge haben könnte. Dies trifft auf Vollabhilfebescheide nicht zu. Gegen sie kann kein Rechtsschutz durch Erhebung einer Anfechtungsklage erlangt werden. Denn Verfahrensvoraussetzung für eine Anfechtungsklage ist nach § 44 Abs. 1 FGO gerade, dass der außergerichtliche Rechtsbehelf ganz oder z. T. erfolglos geblieben ist.

Auch der Erlass eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde aufgrund eines Untätigkeitseinspruchs führt zu einer Vollabhilfe mit der Folge, dass der Stpfl. nicht nach § 348 Nr. 1 AO gehindert ist, mit einem Einspruch inhaltlich gegen diesen Verwaltungsakt vorzugehen.[12]

Wird dem Einspruch nur teilweise durch Teilabhilfebescheid abgeholfen, wird der ersetzte oder geänderte Bescheid nach § 365 Abs. 3 AO automatisch Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen den Teilabhilfebescheid scheitert deshalb am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis.

 

Rz. 9

Inwieweit § 348 Nr. 1 AO auch einem Antrag nach § 172 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 Nr. 2a AO entgegen steht, mit dem innerhalb der Klagefrist eine schlichte Änderung der Einspruchsentscheidung erreicht werden soll, war bisher streitig.

In einem Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde hat der VIII. Senat des BFH[13] ausgeführt, dass Tatfragen und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden wurde, regelmäßig nicht wegen eines Antrags auf Änderungsfestsetzung nach § 172 AO erneut zu prüfen seien. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung ist dem überwiegend gefolgt.[14] In der Literatur wurde diese Auffassung dagegen überwiegend kritisch bewertet.[15] Nachdem zunächst der IX. Senat des BFH[16] entschieden hat, dass das FA die Steuerfestsetzung ändern müsse, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen – § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO sei zwar eine Ermessensnorm; das Ermessen sei in diesem Fall jedoch auf Null reduziert; d...

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