Rz. 19

Wird eine Kapitalgesellschaft, ein Verein oder eine Personengesellschaft aufgelöst, so ist die Gesellschaft bzw. der Verein damit noch nicht beendet. Die Auflösung verändert zunächst lediglich das Ziel des Gebildes, das nunmehr auf Abwicklung, d. h. Tilgung der Schulden sowie Versilberung und Aufteilung des Restvermögens, gerichtet ist. Erst mit dem Abschluss der Liquidation und Löschung im Handelsregister tritt die Beendigung ein. Nach der Auflösung treten die Abwickler (Liquidatoren) an die Stelle der Geschäftsführer oder des Vorstands.

Die Abwickler haben alle steuerlichen Pflichten des von ihnen nunmehr vertretenen Gebildes zu erfüllen. Zu den wichtigsten steuerlichen Pflichten des Abwicklers gehört es, dafür zu sorgen, dass ausreichende Mittel für die Tilgung der steuerlichen Schulden zurückgehalten werden, und zwar auch derjenigen steuerlichen Schulden, die erst während der Abwicklung fällig werden. Dabei hat der Abwickler das zivilrechtlich vorgeschriebene Sperrjahr ab Aufforderung der Gläubiger[1] auch steuerlich zu beachten.[2] Da der Liquidator als gesetzlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder als Geschäftsführer einer Personengesellschaft handelt, kann er auch Wahlrechte und Verzichte auf Steuerbefreiungen ausüben. Er handelt z. B. nicht pflichtwidrig, wenn er für einen Grundstücksumsatz gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtet.[3] Er hat allerdings dafür zu sorgen, dass die in Liquidation befindliche Gesellschaft über die im Kaufpreis enthaltene USt verfügen kann.

Ist die Liquidationsmasse nicht ausreichend zur Befriedigung aller Gläubiger, so hat er die vorhandenen Mittel in der Weise anteilig auf die Gläubiger der Gesellschaft aufzuteilen. Dagegen handelt der Abwickler pflichtwidrig, wenn er einzelne Gläubiger vorab befriedigt und sich dadurch außerstande setzt, die entstandene und ihm bekannte Steuerschuld bei Fälligkeit zu tilgen.[4]

Ergibt sich nach der Beendigung der Liquidation und Löschung im Handelsregister, dass noch unverteiltes Vermögen vorhanden ist, so muss die Liquidation wieder aufgenommen werden.[5] Auch die Personengesellschaften sind in einem solchen Fall nicht beendet gewesen. Der für die Nachtragsabwicklung eingesetzte Liquidator hat wiederum die steuerlichen Pflichten der noch bestehenden Liquidationsgesellschaft zu erfüllen, also auch nachträglich auftauchende Verbindlichkeiten zu berichtigen. Stellt sich nachträglich noch das Bestehen von Verbindlichkeiten heraus, ohne dass gleichzeitig zu verteilendes Vermögen neu auftaucht, so lebt die Liquidationsgesellschaft nicht wieder auf.[6]

[3] BFH v. 16.12.2003, VII R 77/00, ­BFH/NV 2004, 555, BStBl II 2005, 249.
[5] Vgl. z. B. § 273 Abs. 4 AktG.
[6] Ebenso Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 34 AO Rz. 60, 63.

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