Rz. 53

Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Diese müssen jedoch stets durch Sachgründe gerechtfertigt sein, die dem Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. In keinem Fall können allein fiskalische Gründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.[1]

 

Rz. 54

Hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen folgt das BVerfG einem am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichteten stufenlosen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab[2], der nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmt wird.[3] Diese reichen von gelockerten Bindungen an das Willkürverbot bis hin zu einem strengen Verhältnismäßigkeitsgebot.[4] Eine strengere Bindung kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Besonders strenge Anforderungen sind an die Gleichheitsprüfung zu stellen, wenn die für die gesetzliche Differenzierung maßgebenden Merkmale für den Einzelnen, so etwa das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung, nicht verfügbar sind .[5]

[1] Z. B. BVerfG v. 15.1.2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 Tz. 80 m. w. N.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rz. 45a.
[3] Eingehend zur Gleichheitsdogmatik z. B. Seiler, JZ 2004, 481.
[4] BVerfG v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Tz. 80; BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50 Tz. 121 m. w. N.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rz. 44ff.
[5] Vgl. Art. 3 Abs. 2 und 3 GG; vgl. etwa BVerfG v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Tz. 85 ff. betr. Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im ErbStG; BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50 Tz. 122.

3.2.4.1 Außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele

 

Rz. 55

Eine steuerliche Verschonung kann vor Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Stpfl. aus Gründen des Gemeinwohls fördern und lenken will.[1] Hier hat der Gesetzgeber einen grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum sowohl bei der Auswahl der dadurch zu fördernden Gemeinwohlziele als auch der durch die Förderung begünstigten Adressaten.[2] Auch die einer Verschonungsentscheidung zugrunde liegende Gefährdungsprognose über andernfalls drohende Nachteile für Stpfl. oder das Gemeinwohl unterfällt dem Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, soweit die Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte der Lebenserfahrung entspricht.[3]

 

Rz. 56

Bei der Verfolgung außerfiskalischer Förder- und Lenkungsziele dürfen Leistungen allerdings nicht willkürlich verteilt werden. Erforderlich ist eine mit der Lebenserfahrung übereinstimmende Würdigung der jeweiligen Umstände sowie eine sachgerechte Abgrenzung des Kreises der Begünstigten.[4] Nach dem zum ErbStG ergangenen BVerfG-Beschluss kann die Freiheit des Gesetzgebers jedoch bei einem bestimmten "Ausmaß der mit der Steuerverschonung bewirkten Ungleichbehandlung" und der sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die gleichheitsgerechte Erhebung einer Steuer eingeschränkt sein.[5]

Für den verfassungswidrigen Steuernachteil von Überschuß- gegenüber Gewinneinkünften hat das BVerfG ausgeführt, dass die gesetzgeberische Entscheidung für Förderungs- oder Lenkungszwecke hinreichend bestimmt sein muss. In den Gesetzesmaterialien genannte lediglich "vage Zielsetzungen" genügen für sich genommen nicht, um Abweichungen von einer leistungsgerechten Besteuerung zu rechtfertigen.[6]

3.2.4.2 Typisierung und Pauschalierung

 

Rz. 57

Steuergesetze betreffen regelmäßig Massenvorgänge des Wirtschaftslebens. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität bedienen sich zahlreiche steuerrechtliche Vorschriften einer Typisierung bzw. Pauschalierung. Typisierende Gesetzesvorschriften[1] richten ihren Regelungsgehalt vergröbernd an typischen Normalfällen aus und lassen individuelle Besonderheiten unberücksichtigt. Ihre wesentliche Funktion ist die Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit und die Entlastung des Rechtsanwenders im Massenfallrecht .[2] Dies gilt ebenso für pauschalierende Vorschriften[3], die eine Typisierung der rechnerischen Grundlagen enthalten. Derartige Regelungen sind, auch wenn sie grob pauschalierende Höchstgrenzen normieren, grundsätzlich keine unzulässige Willkür.[4] Der Gesetzgeber kann nicht so diffe...

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