7.1 Rechtsfolgen der Verweigerung

 

Rz. 72

Der Vollstreckungsschuldner ist verpflichtet, die bestandskräftige Aufforderung zur Vermögensauskunft zu erfüllen. Die Verweigerung der Pflichterfüllung ist rechtswidrig.[1] Die Finanzbehörde ist allerdings nach § 284 Abs. 8 AO nicht befugt, die Pflichterfüllung durch Anwendung von Zwangsmitteln nach §§ 328ff. AO zu erzwingen.[2] Sie hat nur die Möglichkeit, das Amtsgericht um die Anordnung der Haft zur Erzwingung der Vermögensauskunft zu ersuchen.[3] Die Verweigerung der Pflichterfüllung ist für sich allein kein Grund zur Anordnung des persönlichen Sicherheitsarrests nach § 326 AO.

 

Rz. 73

Eine Verweigerung i. d. S. ist – die Ordnungsmäßigkeit der Ladung vorausgesetzt – nach § 284 Abs. 8 S. 1 AO bereits das nicht ausreichend entschuldigte Nichterscheinen zum anberaumten Termin oder die einfache Ablehnung der Vermögensauskunft ohne Begründung.[4] Auch die Abgabe eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses (fehlende Anlagen) ist eine Verweigerung.[5]

 

Rz. 74

Eine rechtswidrige Verweigerung liegt dann nicht vor, wenn die aufschiebende Wirkung des Einspruchs herbeigeführt worden ist.[6] Sie liegt vielmehr erst dann vor, wenn die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft zu diesem Zeitpunkt unanfechtbar war oder über die Rechtmäßigkeit bestandskräftig entschieden ist.[7]

[2] S. auch § 95 Abs. 6 AO.
[3] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 284 Rz. 26; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 284 AO Rz. 22ff.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 284 Rz. 33.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 284 AO Rz. 22.
[5] FG Köln v. 24.6.1994, 4 K 1745/93, EFG 1995, 153.

7.2 Ersuchen auf Haftanordnung

7.2.1 Zuständigkeit

 

Rz. 75

Nach § 284 Abs. 8 AO ersucht die Finanzbehörde das Amtsgericht um Anordnung der Erzwingungshaft.[1] Zuständig für dieses "Haftersuchen" ist nach § 899 Abs. 1 ZPO das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat.[2]

[2] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 284 Rz. 29.

7.2.2 Form

 

Rz. 76

Für das Haftersuchen nach § 284 Abs. 8 S. 1 AO wird man die Schriftform als erforderlich anzusehen haben; die entsprechende Regelung des zivilprozessualen Vollstreckungsrechts in § 802g ZPO sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor, man wird es aber wohl aus dem Normzweck zu schließen haben.[1] Dem Haftersuchen sind die Unterlagen beizufügen, aus denen sich die Vollstreckbarkeit des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ergibt. Das Haftersuchen ist zu begründen. Die Finanzbehörde hat darzulegen, dass die allgemeinen Voraussetzungen des § 284 AO und die besonderen Voraussetzungen für die Haftanordnung aus § 284 Abs. 8 AO erfüllt sind.

[1] Seibel, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 802g ZPO Rz. 2.

7.2.3 Rechtsnatur

 

Rz. 77

Das "Haftersuchen" der Finanzbehörde, d. h. das "Ersuchen" auf Anordnung der Erzwingungshaft gegen den Vollstreckungsschuldner, wird in der Literatur als behördeninterner Antrag auf Amtshilfe zu sehen.[1] Die Rspr. und die überwiegende Meinung in der Literatur qualifizieren ihn jedoch als einen rechtlich selbstständigen Verwaltungsakt.[2] Das Haftersuchen wird mit der Bekanntgabe an das Amtsgericht und den Vollstreckungsschuldner wirksam.

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 284 AO Rz. 22 m. w. N.; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 284 Rz. 28.
[2] BFH v. 11.12.1984, VII B 41/84, BStBl II 1985, 197; s. entspr. BFH v. 25.1.1988, VII B 85/87, BStBl II 1988, 566; FG Rheinland-Pfalz v. 8.7.1999, 1 V 1912/99, n. v.; so auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 284 AO Rz. 69; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 284 Rz. 30.

7.2.4 Rechtsschutz gegen das Haftersuchen

 

Rz. 78

Gegen das Haftersuchen der Finanzbehörde ist, wenn man diesem mit der h. M. die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts beimisst (s. Rz. 77), der Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO gegeben.[1] Vorläufiger Rechtsschutz kann insoweit durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO erlangt werden.[2] Im Rechtsschutzverfahren ist zu prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner die EV rechtswidrig verweigert (s. Rz. 25) hat. Das Haftersuchen stellt allein keine die Aussetzung der Vollziehung begründende unbillige Härte[3] dar.[4]

 

Rz. 79

Für den weiteren Rechtsschutz gegen das Ersuchen auf Haftanordnung ist damit auch der Finanzrechtsweg[5] gegeben.[6] Der Streitwert bei Rechtsstreitigkeiten über die Vorlage des Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der EV beträgt im Regelfall 50 % der rückständigen Steuerbeträge, darf jedoch den Höchstbetrag von 500.000 EUR nicht übersteigen.[7]

7.3 Entscheidung des Amtsgerichts

7.3.1 Prüfungskompetenz

 

Rz. 80

Die Entscheidung über die Haftanordnung trifft das Amtsgericht, dessen Ein...

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