1 Grundlagen

 

Rz. 1

Vorgängervorschrift des § 256 AO war § 327 Abs. 1 RAO.[1] Der Normzweck des § 256 AO ist es sicherzustellen, dass der Vollstreckungsschuldner im Vollstreckungsverfahren nach der AO nicht solche Einwendungen erheben darf, die sich gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt richten.[2] Dies ist die Folge der verfahrensrechtlichen Trennung zwischen dem Festsetzungsverfahren und dem Vollstreckungsverfahren.[3] § 256 AO knüpft insofern an die allgemeinen Grundsätze des Vollstreckungsrechts nach der AO an, welches strikt zwischen dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt und der Vollstreckung dieses Verwaltungsakts trennt.[4] Die Überschrift des § 256 AO ist deshalb irreführend, da in dieser Vorschrift nicht die Einwendungen gegen die Vollstreckung normiert werden, sondern lediglich bestimmt wird, welche Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt nicht erhoben werden dürfen. Eine umfassende Regelung des Rechtsschutzes im Vollstreckungsverfahren enthält die AO nicht. Zu § 256 AO s. a. Abschn. 11 und 12 der VollstrA.[5]

[1] Zur Rechtsentwicklung s. ausführlich Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 256 AO Rz. 1.
[3] Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 256 AO Rz. 4; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 256 Rz. 1.
[5] BStBl I 1980, 112; zuletzt geändert durch BMF-Schreiben v. 23.10.2017, BStBl I 2017, 1374.

2 Rechtsschutz gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt

 

Rz. 2

§ 256 AO scheidet alle Einwendungen gegen den Grund oder die Höhe des zu vollstreckenden Verwaltungsakts aus dem Vollstreckungsverfahren aus.[1] Der Vollstreckungsschuldner hat wegen dieser Einwendungen die außerhalb des Vollstreckungsverfahrens nach der AO gegebenen Rechtsbehelfe innerhalb der gesetzlichen Fristen zu erheben.[2] Dies sind bei Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsakte der Einspruch nach § 347 AO sowie eine Klage beim FG nach §§ 40ff. FGO. Hinzukommt bei vollziehbaren Verwaltungsakten die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 361 AO bzw. § 69 FGO.[3] Auch eine Verfassungswidrigkeit der Norm, auf der der zu vollstreckende Verwaltungsakt beruht, kann nicht mehr im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden.[4] Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit des § 256 AO hat der BFH zutreffenderweise nicht gesehen.[5]

[1] Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 256 AO Rz. 40ff.; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 256 Rz. 2; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 256 Rz. 2f.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 256 AO Rz. 4.

3 Rechtsschutz gegen die Vollstreckungsmaßnahmen

3.1 Rechtsschutz vor Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen

 

Rz. 3

Aus dem Grundprinzip der AO, dass Rechtsschutz nur gegen Maßnahmen der Verwaltung gegeben ist, folgt, dass es grundsätzlich einen Rechtsschutz nur dann geben kann, wenn bereits ein Verwaltungsakt durch die Behörde erlassen worden ist.[1] Demgemäß kann bei einer rein internen Maßnahme der Behörde grundsätzlich noch kein Rechtsschutz gewährt werden. Dies gilt insbesondere auch für vorbereitende Maßnahmen der Finanzbehörden, vor allem den Beschluss, Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.[2] Rechtsschutz wird dem Vollstreckungsschuldner auch erst gewährt, wenn eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme ergriffen worden ist.[3] Nach Ansicht des BFH[4] stellt die Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner, dass eine Vollstreckung beabsichtigt sei, keinen Verwaltungsakt dar und kann deshalb auch noch nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten werden.[5]

 

Rz. 4

In diesem Bereich macht sich besonders das Fehlen einer Bestimmung bemerkbar, die dem § 767 ZPO entspricht.[6] Der Vollstreckungsschuldner, der den Verwaltungsakt für nicht vollstreckbar hält, kann gegenüber der drohenden Vollstreckung grundsätzlich keine Initiative ergreifen, sondern muss die einzelne Vollstreckungsmaßnahme abwarten, um dann mit einem Rechtsbehelf gegen diese Maßnahme die Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts als solche überprüfen zu lassen. Aber selbst bei einem dann erfolgreichen Rechtsbehelf ist damit nicht die Vollstreckung an sich unzulässig, sondern die Verwaltung kann jederzeit andere Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen.

 

Rz. 5

In Ausnahmefällen besteht für den Vollstreckungsschuldner allerdings die Möglichkeit, bereits gegen drohende Vollstreckungsmaßnahmen einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 114 FGO zu stellen.[7] Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vollstreckung droht, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben sind. In den vom BFH entschiedenen Fällen war etwa die Steuerschuld bereits erloschen[8] oder der Steueranspruch erlassen bzw. gestundet[9] oder es fehlte an einem Leistungsgebot.[10]

[1] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 256 Rz. 4ff.
[2] Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 249 AO Rz. 11; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 256 Rz. 3.
[4] BFH v. 20.8.1968, VII B 66, 79/68, BStBl II 1968, 779.
[5] S. a. Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 256 Rz. 4.

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