4.8.1 Insolvenz des Arbeitnehmers

 

Rz. 100

Die LSt ist von ihrer Ausprägung her lediglich eine besondere Form der Erhebung der ESt. Die Rechtslage ähnelt dabei der hinsichtlich der Vorauszahlungen zur ESt.[1] Hat der Arbeitgeber die LSt für einen insolventen Arbeitnehmer nicht abgeführt und wird der Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen, so ist die Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitnehmers geltend zu machen. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, in dem die LSt begründet worden ist.[2] Dies ist der Fall in dem Zeitpunkt, in dem die Arbeitsleistung ausgeführt wurde, da in diesem Zeitpunkt der Lohnanspruch begründet ist[3]; anderenfalls handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.[4] ESt, die auf Lohneinkünfte während eines Insolvenzverfahrens nachzuzahlen sind, sind keine Masseverbindlichkeiten.[5]

 

Rz. 101

Wird der Schuldner im Interesse der Masse weiterbeschäftigt und erhält er eine Unterstützung aus der Insolvenzmasse, ist er nicht als Arbeitnehmer der Masse anzusehen, es ist also auch keine LSt durch den Insolvenzverwalter einzubehalten und abzuführen, da es sich um eine Einkommensverwendung handelt.[6] Hinzuweisen ist darauf, dass ein Anspruch auf Erstattung von ESt, der auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeführter LSt beruht, einer Aufrechnung des FA gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegensteht (vgl. Rz. 61ff.).

[1] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 191.
[3] Ebenso Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 251 AO Rz. 359; a. A. BMF v. 17.12.1998, IV A 4 – S 0550 – 28/98, BStBl I 1998, 1500, Tz. 4.2, Bsp. 3; dort wird auf den Zufluss beim Arbeitnehmer abgestellt; dieses BMF-Schreiben ist allerdings aufgehoben.
[6] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 191; BFH v. 21.1.1977, III R 107/73, BStBl II 1977, 393; BFH v. 21.7.2009, VIII R 49/08, DB 2009, 2583; hierzu Bartone, DB 2010, 359.

4.8.2 Insolvenz des Arbeitgebers

 

Rz. 102

Weitaus wichtiger als die sich aus der Insolvenz des Arbeitnehmers ergebende Problematik sind in der Praxis die Fragestellungen, die sich bei einer Insolvenz des Arbeitgebers hinsichtlich der Behandlung der LSt ergeben.[1] Zur Frage der Anfechtung der Abführung von LSt s. Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2002, 861.

 

Rz. 103

Grundsätzlich hat dabei während der Dauer eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter die Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen. Dies gilt auch für die Pflichten, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, da der Schuldner aufgrund der fehlenden Zugriffsmöglichkeiten diese nicht mehr erfüllen kann. Aus dieser allgemeinen Pflicht ergibt sich insbesondere auch, dass der Insolvenzverwalter die LSt einzubehalten und abzuführen sowie LSt-Anmeldungen abzugeben hat.[2] Der Insolvenzverwalter haftet hierbei persönlich bei einer Nichterfüllung seiner Pflichten nach § 69 AO i. V. m. § 34 AO. Gleiches gilt für den vorläufigen Insolvenzverwalter.[3] Korrigiert der Insolvenzverwalter eine LSt-Anmeldung aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und resultiert hieraus eine Erstattung, kann das FA mit diesem Erstattungsanspruch aufrechnen.[4]

 

Rz. 104

Es ist davon auszugehen, dass den Arbeitgeber hinsichtlich der LSt nicht primär eine Geldzahlungspflicht gegenüber dem FA trifft, sondern eine besondere Dienstleistungspflicht zur Einbehaltung und Abführung der LSt.[5] Geld wird nur dem Arbeitnehmer geschuldet, nämlich der Bruttoarbeitslohn. Allerdings trifft den Arbeitgeber die Pflicht, von diesem Bruttolohn die LSt einzubehalten und abzuführen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, haftet er nach § 42d EStG. Erst in dieser Phase entsteht eine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem FA, wobei diese Verpflichtung neben den Zahlungsanspruch des FA gegen den Arbeitnehmer tritt. Diese Grundsätze gelten ebenso bei einer vorläufigen Insolvenzverwaltung.

 

Rz. 105

Aus dieser allgemeinen Einordnung ergeben sich für die Behandlung der LSt im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers in verschiedenen Fallgestaltungen, die in der Praxis von erheblicher Bedeutung sind, die folgenden Konsequenzen:

  • Hat der Arbeitgeber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine LSt einbehalten oder nicht abgeführt, hat er den Haftungstatbestand des § 42d EStG vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Der Haftungsanspruch ist deshalb eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO. Die Geltendmachung des Anspruchs erfolgt in diesem Fall mittels eines Haftungsbescheids.[6]
  • Erfüllt der Insolvenzverwalter Lohnrückstände aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, besteht in diesem Stadium kein Zahlungsanspruch des FA gegen die Masse, sondern nur der bereits dargelegte Dienstleistungsanspruch. Einen Zahlungsanspruch hat nur der Arbeitnehmer. Wenn der Insolvenzverwalter seinen Verpflichtungen nachkommt, ergeben sich keine weiteren Konsequenzen. Erfüllt er diese nicht, entsteht der Haftungsanspruch, der gegen die Masse gegeben ist. Da es sich bei diesem Ha...

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