Rz. 8

Für die Vollverzinsung nach § 233a Abs. 1a AO gilt für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2019 ein Prozentsatz vom 0,15 % für jeden Monat, das heißt 1,8 % für jedes Jahr. Daher hat der Gesetzgeber den BVerfG-Beschlüssen vom 8.7.2021[1] Rechnung getragen. Damit wird am Prinzip des einheitlichen und festen Zinssatzes festgehalten und gem. § 238 Abs. 1c AO eine regelmäßige Evaluation der Angemessenheit des Zinssatzes angeordnet.[2]

[1] BVerfG v. 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BFH/NV 2021, 1455, DStR 2021, 1934.
[2] BT-Drs. 20/1633, 21; vgl. auch Rz. 11.

2.1 Höhe des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1a AO

 

Rz. 9

Der Zinssatz von 0,15 % im Monat und 1.8 % im Jahr soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Verzinsung nach § 233a AO sowohl für Steuernachforderungen als auch für Steuererstattungen gilt und dabei wie bisher derselbe Zinssatz gelten soll. Als Eckwerte dieses Zinssatzes dienen auf Grundlage entsprechender Daten der Deutschen Bundesbank auf der einen Seite die Habenzinsen, worauf sich ein Mittelwert vom Mittelwert von 3,85 % pro Jahr ergibt.[1]

[1] BR-Drs. 157/22, 19.

2.2 Aufteilung des Zinslaufes in Teilverzinszeiträume (§ 238 Abs. 1b AO)

 

Rz. 10

Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze (bis 31.12.2018 nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, für Verzinsungszeiträume ab 1.1. 2019 nach § 238 Abs. 1a AO) maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen.[1] Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen.[2] In Anwendung des § 238 Abs. 1b S. 3 AO werden nach der sog. "deutschen Zinsberechnungsmethode" jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet. Für den Monat Februar bleibt es beim Ansatz von 28 (bzw. in Schaltjahren 29) Tagen, wenn der Zinsberechnungszeitraum zu diesem Zeitpunkt endet. Liegt der Februar innerhalb des Zinsberechnungszeitraums, wird er mit 30 Tagen berücksichtigt.[3]

Um den Anteil am Jahreszinssatz (das ist das Zwölffache des Monatszinssatzes nach Absatz 1a Satz 1) zu ermitteln, wird die Summe der ermittelten Zinstage dann durch 360 geteilt.

Bei Zusammentreffen mehrerer Zinsansprüche sind diese für die Zinsberechnung jeweils nach Steuerart, Zeitraum und Beginn des Zinslaufs und jetzt auch nach der Zinshöhe gesondert zu betrachten.

[1] Dazu BR-Drs. 157/22, 19f.
[3] BMF v. 22.7.2022, IV A 3 – S 1910/22/10040 :010, DOK 2022/0666774, BStBl I 2022, 1217 Rz. 16.

2.3 Überprüfung der Angemessenheit des Zinssatzes (§ 238 Abs. 1c AO)

 

Rz. 11

Da der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gem. § 238 Abs. 1a AO als starrer Zinssatz geregelt ist, enthält § 238 Abs. 1c AO eine ausdrückliche Evaluierungsklausel.[1] Die Angemessenheit des Zinssatzes ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle zwei Jahre zu evaluieren.[2] Die erste Evaluierung soll zum 1.1.2024 erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung soll eine Änderung möglichst erst dann erfolgen, wenn der zum 1.1. des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz abweicht. Der Gesetzgeber kann bei signifikanten Änderungen bereits vor Ablauf von zwei Jahren eine Anpassung vornehmen. Es ist zweifelhaft, ob diese Regelung tatsächlich einen Vorteil gegenüber einer variablen Verzinsungsregelung darstellt.[3] Es kann sein, dass der Gesetzgeber nach dem jetzigen Stand bereits zum 1.1.2024 eine Zinsanpassung vornimmt.

[1] BR-Drs. 157/22, 20.
[2] BR-Drs. 286/22.
[3] Kritisch z. B. Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 238 AO Rz. 9; Seer, DB 2022, 1796/1797.

2.4 Praktische Handhabung der neuen Vorschrift

 

Rz. 12

Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 gilt in anhängigen Verfahren § 238 Abs. 1a und 1b AO ab 21.7.2022. Dies sind die Verfahren, in denen die Zinsfestsetzung noch gem. § 164 Abs. 1 AO oder § 239 Abs. 4 AO noch unter Vorbehalt steht, die Zinsfestsetzung gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 AO oder § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i. V. m. Abs. 1 Satz 2 vorläufig festgesetzt oder ausgesetzt ist oder noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist.

Bei Neuverfahren gilt § 238 Abs. 1a und 1b AO ab 21.7.2022. Bei Änderung einer Zinsfestsetzung gem. § 233a Abs. 5 Satz 3 Hs. 2 AO ist der Zinssatz maßgeblich, der bei der ursprünglichen Festsetzung der Nachzahlungszinsen zugrunde gelegt wurde.[1]

In Erstattungsfällen ist zu beachten, dass Art. 97 § 15 Abs. 14 Satz 3 EGAO eine Rückforderung ausschließt.[2]

 

Rz. 13

In einem Mischfall (abwechselnd Nachzahlungs- und Erstattungszinsen oder umgekehrt) ist § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auf das Ergebnis der Neuberechnung anzuwenden. Bei der Nachholung einer nach § 165 Absatz 1 Satz 4 AO ausgesetzten Zinsfestsetzung ist § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO von vornherein nicht anzuwenden, da keine Änderung einer Zinsfestsetzung erfolgt, sondern erstmals Zinsen festgesetzt werden.[3]

 

Rz. 14

Gem. Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO sind § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 und Abs. 2 AO sowie § 171 Abs. 8 AO auf nach dem 21.7.2022 erlassene Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 entsprechend anzuwenden, solange die technischen und organisatorischen Vorausset...

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