Rz. 3

Der Beginn der Verjährungsfrist ist an den Eintritt der erstmaligen Fälligkeit[1] geknüpft. Die Fälligkeit tritt ein:

  • nach den Einzelsteuergesetzen, entweder zu festen Terminen (wie bei den Vorauszahlungen) oder nach einer Steuerfestsetzung;
  • besteht keine gesetzliche Bestimmung, tritt Fälligkeit gleichzeitig mit dem Entstehen des Anspruchs ein; das ist der Fall z. B. bei Erstattungsansprüchen gegen den Fiskus, wenn sie keiner Festsetzung bedürfen. Gleiches gilt für Erstattungsansprüche aufgrund rechtsgrundloser Zahlung (Rz. 4) und für Rückforderungsansprüche des FA i. S. v. § 37 Abs. 2 AO, die keiner Festsetzung durch VA bedürfen. Diese entstehen mit der ungerechtfertigten Auszahlung des Betrags und werden fällig, ohne dass es eines Abrechnungsbescheids bedarf[2];
  • wird eine Steuer oder eine Steuervergütung unter einer aufschiebenden Bedingung festgesetzt, was im Verbrauchsteuerrecht der Fall sein kann, tritt Fälligkeit erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung ein; die Verjährungsfrist beginnt also erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die aufschiebende Bedingung eintritt;
  • wird eine Steuer oder eine Steuervergütung unter einer auflösenden Bedingung festgesetzt, tritt sofort Fälligkeit des Anspruchs ein, sodass auch die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Tritt später die auflösende Bedingung ein, ist die Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern. Für den daraus resultierenden Rückforderungsanspruch bestimmt Abs. 1 S. 2, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung erfolgt;
  • ist eine rechtswidrige, aber nicht nichtige Steuerfestsetzung erfolgt, wird der Anspruch auf hierauf zu viel gezahlte Steuern erst mit einer eventuellen Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung fällig;
  • besteht keine gesetzliche Bestimmung, kann für Ansprüche des Fiskus im Leistungsgebot eine Zahlungsfrist bestimmt werden; Fälligkeit tritt dann mit Ablauf dieser Frist ein;
  • bei Verbrauch- und USt kann die Finanzbehörde nach § 221 AO unter bestimmten Voraussetzungen einen vor der gesetzlichen Fälligkeit liegenden Fälligkeitszeitpunkt bestimmen;
  • hebt ein Gericht die Steuerfestsetzung auf oder ändert es diese zugunsten des Stpfl., wird der Erstattungsanspruch erst mit Rechtskraft des Urteils fällig.[3]
 

Rz. 3a

Die als Cum/Ex- und Cum/Cum-Gestaltungen bekannten Gestaltungsmissbräuche bzw. teilweise auch kriminellen Ausnutzungen von Kapitalertragsteuerregeln[4] bieten eine Vielzahl von Rechtsproblemen, auch in der Geltendmachung zurückzuzahlender rechtsgrundlos ausgezahlter KapESt. Grundlegend ist dabei, ob die Rückgängigmachung über Änderungsveranlagungen erfolgt oder ob die Zahlungsverjährung – im Falle des Anspruchs gegen beschränkt Stpfl., bei denen wegen der Abgeltungswirkung der KapESt nach § 50 Abs. 2 EStG eine Veranlagung unterbleibt – allein an die Rückforderung der zu Unrecht ausgezahlten KapESt[5] anknüpft. Die Verjährung dieses Zahlungsanspruchs des Staates richtet sich dann nach den Vorschriften zur Zahlungsverjährung nach §§ 228ff. AO.[6]

Die Ansprüche entstehen nach § 229 Abs. 1 S. 1 AO mit der ungerechtfertigten Auszahlung der Bruttodividenden und werden zu diesem Zeitpunkt fällig.[7] Dementsprechend beginnt die Zahlungsverjährung mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres. Die Feststellung des Rückforderungsanspruchs durch das BZSt nach § 37 Abs. 2 AO stellt keine Steuerfestsetzung i. S. d. § 229 Abs. 1 S. 2 AO dar, sondern konkretisiert lediglich den Erstattungsanspruch.[8]

 

Rz. 4

Auch wenn Vorauszahlungen auf eine zu erwartende Steuerschuld geleistet werden, ohne dass anschließend ein wirksamer[9] Steuerbescheid erlassen wird, richtet sich der Beginn der Zahlungsverjährung für den Rückzahlungsanspruch nach § 229 Abs. 1 S. 1 AO.[10] Dies gilt auch bei Leistungen auf eine nichtige Steuerfestsetzung. Auch in diesen Fällen beginnt die Zahlungsverjährungsfrist hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs mit der "rechtsgrundlosen" Zahlung. Der Beginn der Zahlungsverjährungsfrist richtet sich nach der Grundregel des § 229 Abs. 1 S. 1 AO. § 229 Abs. 1 S. 2 und 3 AO sind in diesen Fällen – auch analog – nicht anwendbar, da der Rückforderungsanspruch nicht von der "Aufhebung" der nichtigen Steuerfestsetzung abhängt.[11] Für den Stpfl. kann dies zum einen die Konsequenz haben, dass der Rückzahlungsanspruch verjährt ist, bevor er die Nichtigkeit des Bescheids kannte.[12] Kennt er den Anspruch, muss der Stpfl. die Verjährung durch Geltendmachung des Erstattungsanspruchs unterbrechen, läuft dann allerdings das Risiko, dass die Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 14 AO noch nachgeholt wird.[13] Aufgrund der geleisteten Zahlung führt bei Nichtigkeit des Bescheids § 171 Abs. 14 AO dazu, dass das FA dem Erstattungsanspruch, solange die Zahlungsverjährung für den Rückzahlungsanspruch noch nicht eingetreten ist, dadurch entgegentreten kann, dass es die – i. d. R. aus formalen Gründen – nichtige Steuerfestsetzung durch eine wirksame ers...

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