Rz. 50

§ 193 Abs. 1 AO regelt lediglich die Voraussetzungen, unter denen Außenprüfungen bei den in dieser Vorschrift genannten Stpfl. zulässig sind, begründet aber keine entsprechende Verpflichtung. Die Entscheidung darüber, ob, wann, bei wem und in welchem Umfang sie von der Prüfungsermächtigung Gebrauch macht, liegt im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde.[1]

Damit wird der faktischen Unmöglichkeit Rechnung getragen, alle unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Stpfl. vollständig und gleichermaßen zu prüfen.[2] Durch die Einräumung des Ermessens soll der FinVerw. der effektive Einsatz ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten ermöglicht werden.[3] Daraus folgt, dass sie sich bei seiner Ausübung allein von den Zielen der generellen Sicherung einer vollständigen, richtigen Besteuerung sowie der zutreffenden Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Einzelfall leiten zu lassen hat. Da dies grundsätzlich keinen Raum für eine Abwägung öffentlicher und privater Interessen lässt[4], spricht eine Vermutung dafür, dass die Heranziehung eines der in § 193 Abs. 1 AO genannten Stpfl. zur Außenprüfung ermessensgerecht ist.[5]

Der hiernach bestehende weite Ermessensspielraum ist erst dann überschritten, wenn sich die Behörde bei der Entscheidung, eine Außenprüfung vorzunehmen, nicht von der für geboten erachteten Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse, sondern von anderen sachfremden Erwägungen leiten lässt. In diesem Fall wird die Prüfung auch nicht deshalb zulässig, weil sie ein in irgendeiner Weise umsetzbares steuerliches Ergebnis haben kann.[6]

 

Rz. 51

Bei Stpfl., die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind, werden die Maßstäbe für die Ausübung des der FinVerw. eingeräumten Ermessens durch die BpO 2000 als ermessensleitende Verwaltungsvorschrift konkretisiert. Die darin getroffenen Regelungen dienen nicht nur der sinnvollen Nutzung der begrenzten Prüfungskapazitäten, sondern auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie sind deshalb als Selbstbindung der Verwaltung bei der Ermessensausübung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.[7] Anknüpfend an die in § 3 BpO 2000 getroffene Einordnung der Betriebe in vier Größenklassen[8], nimmt § 4 BpO 2000 eine Unterscheidung zwischen Großbetrieben und anderen Betrieben vor. Während bei Großbetrieben nach § 4 Abs. 2 BpO 2000 der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen soll (Anschlussprüfung), soll der Prüfungszeitraum bei anderen Betrieben nach § 4 Abs. 3 S. 1 BpO 2000 in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Dies bedeutet, dass Großbetriebe grundsätzlich lückenlos, andere Betriebe hingegen nur in zeitlichem Abstand geprüft werden.[9] Für die Entscheidung, ob ein Betrieb nach § 4 Abs. 2 oder Abs. 3 BpO 2000 geprüft wird, ist grundsätzlich die Größenklasse maßgebend, in die der Betrieb im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingeordnet ist.[10]

Nach Ansicht des BFH ist die unterschiedliche Behandlung von Großbetrieben und anderen Betrieben nicht zu beanstanden. Dass § 4 Abs. 2 BpO 2000 für Großbetriebe generell eine sog. Anschlussprüfung vorsehe, sei deshalb gerechtfertigt, weil bei ihnen erfahrungsgemäß die steuerlich erheblichen Verhältnisse so umfangreich und schwierig zu überschauen seien, dass sie ohne eine Außenprüfung durch den Innendienst allein nicht wirksam kontrolliert und zutreffend besteuert werden könnten.[11]

 

Rz. 52

Je nachdem, in welche Größenklasse ein Betrieb eingeordnet ist, ergeben sich große Unterschiede bei der Prüfungshäufigkeit. Nach der von dem BMF erstellten Statistik über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung in den Ländern[12] ergibt sich für das Jahr 2020 folgendes Bild:

 
Größenklasse gesamt darunter geprüft
  Anzahl Anzahl Anteil in Prozent
Großbetriebe (G) 196.211 34.164 17,4
Mittelbetriebe (M) 820.030 40.594 4,9
Kleinbetriebe (K) 1.253.383 29.382 2,3
Kleinstbetriebe (Kst) 6.140.037 48.509 0,8
Summe 8.409.661 152.649 1,8

Der durchschnittliche Prüfungszeitraum betrug bei Großbetrieben 3,3 Veranlagungsjahre, bei Mittel- und Kleinbetrieben jeweils 3,0 Veranlagungsjahre und bei Kleinstbetrieben 2,9 Veranlagungsjahre.

Statistisch betrachtet werden danach Großbetriebe alle 5,7 Jahre, Mittelbetriebe alle 20,4 Jahre, Kleinbetriebe alle 43,5 Jahre und Kleinstbetriebe alle 125 Jahre geprüft. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Prüfungszeitraums ergibt sich eine Prüfungsdichte von 57,4 % für Großbetriebe, von 20,4 % für Mittelbetriebe, von 6,9 % für Kleinbetriebe und von 2,3 % für Kleinstbetriebe.

Diese eklatanten Unterschiede lassen sich nur sehr eingeschränkt durch das je nach Betriebsgröße unterschiedlich große fiskalische Ausfallrisiko rechtfertigen.[13] Von den steuerlichen Mehrergebnissen entfielen auf die Großbetriebe 7,9 Mrd. EUR, auf die Mittelbetriebe 1,1 Mrd. EUR, auf die Kleinbetriebe 0,6 Mrd. EUR und auf die Kleinstbetriebe 1,1 Mrd. EUR. Danach entfiel zwar der größte Teil der Mehrergebni...

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