1 Grundlagen

1.1 Systematische Stellung

 

Rz. 1

§ 183 AO stellt eine Sonderregelung zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten dar, die die allgemeinen Regeln über die Bekanntgabe ergänzt.[1] Die Vorschrift regelt nur die Bekanntgabe, nicht die Adressierung des Bescheids, setzt also die richtige Adressierung an den Inhaltsadressaten voraus.[2] Soweit mehrere Feststellungsbeteiligte betroffen und daher Inhaltsadressaten sind, ist der Verwaltungsakt an sich jedem Beteiligten gesondert bekannt zu geben. Für Feststellungsbescheide gibt § 183 AO zur Vereinfachung die Möglichkeit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an nur eine Person.[3] Die Bekanntgabe erfolgt danach an einen rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten, den Geschäftsführer oder hilfsweise einen fiktiv bestellten Empfangsbevollmächtigten. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 352 AO, der die Rechtsbehelfsbefugnis in ähnlicher Weise regelt und beschränkt. Eine § 183 AO entsprechende Vorschrift enthält § 6 der VO zu § 180 Abs. 2 AO.[4] Mit § 183 AO wird verhindert, dass bei mehreren oder vielen Beteiligten die Feststellungsbescheide jeder Person bekannt gegeben werden müssen, die an dem Gegenstand der Feststellung (Einkünfte, Einheitswert, Grundsteuerwert) beteiligt ist. Neben dem Erleichterungseffekt dient die Vorschrift auch der Rechtssicherheit. Es wird ein einheitlicher Bekanntgabezeitpunkt und damit ein einheitlicher Lauf der Rechtsbehelfsfrist und eine einheitliche Wahrung der Feststellungsfrist erreicht.[5]

 

Rz. 1a

Die Vorschrift gilt nur für Feststellungsbescheide und nur, wenn mehrere Personen als Gesellschafter oder Gemeinschafter beteiligt und daher die Inhaltsadressaten sind. Sie gilt nicht für Verwaltungsakte, die die Gesellschaft oder Gemeinschaft selbst als Steuerschuldner betreffen, z. B. GewSt-Messbescheide. Diese sind nicht nach § 183 AO, sondern an den Vertretungsberechtigten, also das Organ der Gesellschaft, bekanntzugeben.

 

Rz. 2

Die Regelung enthält eine Stufenfolge der Empfangsbevollmächtigung, die in dieser Reihenfolge zwingend von der Finanzverwaltung einzuhalten ist:

  • Vorrang hat der rechtsgeschäftlich bestellte Empfangsbevollmächtigte nach Abs. 1 Nr. 1 (vgl. Rz. 7).
  • Ist ein rechtsgeschäftlich bestellter Empfangsbevollmächtigter nicht vorhanden, hat die Bekanntgabe an den Vertretungsberechtigten nach Abs. 1 S. 2 zu erfolgen (vgl. Rz. 11).

Erst wenn weder ein rechtsgeschäftlich bestellter Empfangsbevollmächtigter noch ein Vertretungsberechtigter vorhanden ist, kann die Bekanntgabe an den "fiktiven Empfangsbevollmächtigten" nach Abs. 1 S. 3 erfolgen (vgl. Rz. 15).

Daneben enthalten die Abs. 2–4 besondere Regeln für die einzelnen Bekanntgabeoptionen.

 

Rz. 2a

Obwohl durch die Bekanntgabeerleichterung der Rechtsschutz der Beteiligten eingeschränkt werden kann, begegnet die Vorschrift keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Soweit ein gemeinsamer Bekanntgabebevollmächtigter nach Abs. 1 S. 1 bestellt wird, beruht dies auf der Willensentscheidung jedes einzelnen Beteiligten, deren Folgen er bei Bestellung des Bevollmächtigten abwägen kann. Entsprechendes gilt für die Bekanntgabe an den Geschäftsführer nach Abs. 1 S. 2. Bedenklich könnte die Bekanntgabe an den fiktiv Bevollmächtigten nach Abs. 1 S. 3 sein. Für diesen Fall, sowie auch die anderen Bekanntgabeoptionen, sieht Abs. 2 aber Einzelbekanntgabe vor, wenn dies zur Rechtswahrung eines der Beteiligten erforderlich ist. Jeder Beteiligte kann daher bei dem FA auf Einzelbekanntgabe an sich hinwirken. Das FA hat auch im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Bekanntgabeinteressen der einzelnen Beteiligten zu berücksichtigen. Im Gesamtzusammenhang berücksichtigt die Vorschrift die Rechtsschutzinteressen der Beteiligten in angemessener Weise.[6]

[1] Allgemein zur Bekanntgabe vgl. Frotscher, M., in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 122 AO Rz. 4ff.
[3] Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 1; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 128 AO Rz. 9.
[6] So im Ergebnis auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 5; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 183 AO Rz. 12; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Bekanntgaberegelung BFH v. 27.11.1968, III 244/64, BStBl II 1969, 250.

1.2 Geltungsbereich

 

Rz. 3

Die Vorschrift ist nur auf Feststellungsbescheide anwendbar, nicht auf Steuerbescheide.[1] Da die Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur auf Feststellungsbescheide anwendbar ist, gilt sie nicht für Grundlagenbescheide, die keine Feststellungsbescheide sind.

 

Rz. 3a

§ 183 AO erfasst die Fälle, in denen sich der Feststellungsbescheid gegen mehrere Personen richtet, der Bescheid also nach § 179 Abs. 2 S. 2 AO einheitlich ergeht. Das ist der Fall, wenn und soweit mehr als ein Beteiligter (Steuerrechtssubjekt) vorhanden ist und der Feststellungsbescheid diese Beteiligten persönlich betrifft (z. B. Feststellung der Einkünfte), nicht die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft. Richtet der Feststellu...

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