Rz. 105

Die persönlichen, sachlichen und zeitlichen Regelungsbereiche des Ergänzungsbescheids sind grundsätzlich die gleichen wie bei dem Feststellungsbescheid, den er ergänzt. Der Ergänzungsbescheid ergeht daher gegen dieselben Personen als Adressaten, über die gleichen Besteuerungsgrundlagen und für den gleichen Zeitraum wie dieser Feststellungsbescheid. Der Unterschied zum Feststellungsbescheid besteht darin, dass der Ergänzungsbescheid einzelne Feststellungen trifft, die zum Regelungsbereich des Feststellungsbescheids gehören und daher in diesem hätten getroffen werden müssen, aber unterblieben sind. Ein Ergänzungsbescheid kann daher ergehen, wenn ein Feststellungsbescheid nicht über seinen ganzen persönlichen, sachlichen und zeitlichen Regelungsbereich die notwendigen Entscheidungen trifft.

 

Rz. 106

Der Ergänzungsbescheid kann eine Feststellung des Feststellungsbescheids nicht ändern. Er kann nur insoweit ergehen, als die Finanzbehörde im Feststellungsbescheid noch keine sachliche Entscheidung getroffen hat. Der Ergänzungsbescheid kann daher nicht dazu dienen, eine unrichtige Feststellung im Feststellungsbescheid zu ändern. Insoweit ist eine (unrichtige) Feststellung getroffen worden, nicht unterblieben. In Betracht kommt nur eine Änderung des Feststellungsbescheids nach §§ 172ff. AO.[1]

 

Rz. 107

Der Ergänzungsbescheid ermöglicht nicht die Durchbrechung der Bestandskraft des Feststellungsbescheids, sondern schließt eine Lücke des Feststellungsbescheids, trifft also die Entscheidung hinsichtlich eines Gegenstands, über den der Feststellungsbescheid noch nicht entschieden hat.[2]

 

Rz. 108

Aus der Selbstständigkeit der in dem Ergänzungsbescheid enthaltenen Feststellungen gegenüber den anderen Feststellungen des Feststellungsbescheids (Rz. 88) folgt, dass eine Anfechtung des Feststellungsbescheids den Eintritt der Bestandskraft des Ergänzungsbescheids nicht hindert. Ist der Feststellungsbescheid Gegenstand eines Klageverfahrens, wird der Ergänzungsbescheid nicht ebenfalls Gegenstand dieses Verfahrens. Wird der Feststellungsbescheid während des Klageverfahrens geändert und der geänderte Bescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens, gilt dies für den Ergänzungsbescheid nicht.[3] Umgekehrt gilt Entsprechendes. Die Anfechtung des Ergänzungsbescheids führt nicht zur Rechtshängigkeit des Feststellungsbescheids.

 

Rz. 109

Hiervon hat die Rechtsprechung in einem Sonderfall für die Fälle eine Ausnahme gemacht, in denen durch eine Rechtsänderung eine andere Beurteilung des Sachverhalts und damit eine Änderung des festgestellten Gewinns erforderlich wurde.[4] Diesem Urteil ist nicht zu folgen. Über die Höhe des Gewinns war eine Entscheidung im Feststellungsbescheid getroffen worden, nicht unterblieben. Der Feststellungsbescheid war lediglich unrichtig, nicht unvollständig. Das Institut des Ergänzungsbescheids kann aber nicht dazu dienen, unrichtige Feststellungen zu ändern.

 

Rz. 110

Abs. 3 ist zwingendes Recht. Der Ergänzungsbescheid ist von Amts wegen zu erlassen, ein Antrag eines Beteiligten ist nicht erforderlich. Da der Ergänzungsbescheid nur insoweit zulässig ist, als noch keine sachliche Entscheidung getroffen wurde, enthält er keine Änderung des Regelungsinhalts des Feststellungsbescheids. Er enthält damit auch keine Durchbrechung der Bestandskraft des Feststellungsbescheids. Er kann somit ergehen, wenn der Feststellungsbescheid schon bestandskräftig ist. Der Tatbestand einer Änderungsvorschrift für die Durchbrechung der Bestandskraft braucht nicht vorhanden zu sein. Ist andererseits ein Feststellungsbescheid unvollständig, und kommt diese Unvollständigkeit durch Bekanntwerden neuer Tatsachen zutage, kann kein Änderungsbescheid nach § 173 AO erfolgen. Da der Feststellungsbescheid insoweit keine Regelung enthält, kann er auch nicht geändert werden. Es hat statt eines Änderungsbescheids ein Ergänzungsbescheid zu ergehen, der insoweit gegenüber dem Änderungsbescheid vorrangig ist.

 

Rz. 111

Der Ergänzungsbescheid ist an keine Frist, auch nicht an die Rechtsbehelfsfrist, gebunden. Zur Feststellungsfrist Rz. 113.

 

Rz. 112

Unklar ist, ob ein Ergänzungsbescheid noch nach Ablauf der Feststellungsfrist des Feststellungsbescheids ergehen kann. Einerseits enthält der Ergänzungsbescheid eine materiell-rechtlich bindende Regelung, die nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr ergehen kann. Andererseits schließt § 169 Abs. 1 S. 1 AO nach Ablauf der Festsetzungs-/Feststellungsfrist nur die Änderung des Feststellungsbescheids aus, nicht seine Ergänzung.

M. E. ist maßgebend, dass vermieden werden muss, dass ein unvollständiger Feststellungsbescheid bestandskräftig bestehen bleibt, da dieser in dem Verfahren über den Folgebescheid sinnlos und aufgrund seiner (durch das Fehlen einer notwendigen Feststellung unvollständigen) Bindungswirkung nur hinderlich wäre.

 
Praxis-Beispiel

Es ist ein Feststellungsbescheid über Einkünfte ergangen, in dem die Zurechnung der Einkünfte nicht erfolgt ist. Ist die Feststellungsfrist abgelaufen, ist der F...

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