Rz. 177

Entsprechende Grundsätze wie nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gelten für die Aufhebung oder Änderung zugunsten des Stpfl. Zur Frage, ob die Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. wirkt, vgl. Rz. 165. Auch bei Aufhebung und Änderung der Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. kommt es für die "Neuheit" der Tatsache nur auf die Kenntnis der Finanzbehörde an.[1] Ob dem Stpfl. die Tatsachen bekannt waren, ist nur für die Frage des Verschuldens (Rz. 182ff.) von Bedeutung.[2] Auf welche Weise die Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind, ist – im Gegensatz zu der Regelung in der RAO – unbeachtlich, das Bekanntwerden braucht daher nicht auf einer Außenprüfung zu beruhen.

 

Rz. 178

Tatsachen, die der zuständige Sachbearbeiter hätte kennen müssen, bei denen ihm also ein Fehler in der Sachverhaltsermittlung zuzurechnen ist, gelten nicht als bekannt, da die Rechte des Stpfl. nicht durch Fehler des FA verkürzt werden können. Die Aufhebung oder Änderung wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt hat.[3] Die Finanzbehörde kann sich nicht zulasten des Stpfl. auf eigenes Verschulden berufen. A. A. jedoch BFH v. 27.11.2001, VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473; m. E. ist dem nicht zu folgen, da dann die Wirkungen des unsorgfältigen Arbeitens der Behörde zulasten des Stpfl. gehen würden. Entsprechend gilt auch der Inhalt der Akten des FA nicht zulasten des Stpfl. als bekannt, da unsorgfältiges Arbeiten der Finanzbehörde dem Stpfl. nicht anzulasten ist.[4] Denkbar wäre allenfalls, dass der Stpfl. die Obliegenheit gehabt hätte, auf die Akten hinzuweisen. Dies ist aber keine Frage, ob die Tatsache "neu" ist, sondern des groben Verschuldens des Stpfl.

 

Rz. 179

Auch bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Stpfl. ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Bekanntsein der Tatsachen oder des Beweismittels der Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung der Veranlagung (vgl. Rz. 98). Eine Anwendung des § 173 AO zugunsten des Stpfl. ist nur möglich, wenn die maßgebende Stelle (vgl. Rz. 118) die Tatsachen oder Beweismittel nach diesem Zeitpunkt erfährt.

 

Rz. 180

Erfährt der Stpfl. von der Existenz der für ihn günstigen Tatsachen während des Laufs der Rechtsbehelfsfrist, ist es für ihn zwar ratsam, Einspruch einzulegen; tut er dies nicht, ist er m. E. jedoch später im Rahmen eines Änderungsantrags nach § 173 AO mit diesem Vorbringen nicht ausgeschlossen.[5] Maßgeblich ist nur, ob die Tatsache der Verwaltung bei Zeichnung der Veranlagung bereits bekannt war, und ob den Stpfl. für das Nichtvorbringen bis zu diesem Zeitpunkt ein grobes Verschulden trifft. Ist dies nicht der Fall, können spätere Ereignisse, etwa während des Laufs der Rechtsbehelfsfrist, nicht zu einem Bekanntsein führen. Allerdings vertritt die Rspr. die Ansicht, dass den Stpfl. ein grobes Verschulden treffe, wenn er nicht Einspruch einlegt und ihm bekannte Tatsachen im Rechtsbehelfsverfahren vorbringt. Hierzu Rz. 207. Hat der Stpfl. jedoch Einspruch eingelegt, hat er alle ihm bekannten günstigen Tatsachen vorzutragen, da das Einspruchsverfahren zu einer vollständigen Überprüfung des Steuerfalls führt. "Maßgeblicher Zeitpunkt" sowohl für das Bekanntsein der Tatsachen oder Beweismittel als auch für das grobe Verschulden ist dann der Zeitpunkt der Abzeichnung der Einspruchsentscheidung bzw. der aufgrund des Einspruchs erfolgten Änderungsveranlagung. Nach bestandskräftigem Abschluss des Einspruchsverfahrens können daher nur Tatsachen zu einer erneuten Änderung führen, die der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt waren, also erst nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens bekannt geworden sind.

 

Rz. 181

Waren die Tatsachen dem Stpfl. im maßgebenden Zeitpunkt bekannt, hielt er sie aber wegen der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Gesetzesauslegung in Rspr., Lit. und Verwaltung für rechtlich unerheblich, und trägt er sie aus diesem Grund der Finanzbehörde nicht vor, sind diese Tatsachen der Behörde unbekannt. Führt eine Änderung in der Interpretation des Rechts dazu, dass diese Tatsachen doch erheblich sind, stellt sich die Frage, ob diese Tatsachen jetzt noch nach § 173 AO berücksichtigt werden können. Dies ist die Frage nach der Rechtserheblichkeit der Tatsachen (hierzu auch Rz. 74ff.).

Hätte das FA aufgrund der herrschenden Interpretation des Rechts diese Tatsachen bei der Steuerfestsetzung, wenn sie ihm bekannt gewesen wären, nicht berücksichtigt, sind die jetzt vorgebrachten neuen Tatsachen nicht "rechtserheblich" gewesen, sodass eine Änderung ausscheidet (vgl. Rz. 74). Ist dagegen nicht auszuschließen, dass die Finanzbehörde bei Kenntnis der Tatsachen diese in der ursprünglichen Steuerfestsetzung berücksichtigt hätte, liegen zwar rechtserhebliche neue Tatsachen vor, es stellt sich aber die Frage nach dem groben Verschulden. Wenn nicht auszuschließen war, dass die Finanzbehörde diese Tatsachen doch ­zugunsten des Stpfl. berücksichtigt hätte, wird i. d. R. grobes Verschulden de...

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