Rz. 118

Die Tatsache oder das Beweismittel dürfen der organisationsmäßig für die Veranlagung berufenen Dienststelle der zuständigen Finanzbehörde zum maßgebenden Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sein.[1] Maßgebliche Dienststelle ist die für den Steuerfall organisationsmäßig zuständige Stelle. Ergeben sich die Tatsachen aus der von dieser Dienststelle geführten Akten, sind sie dem Sachbearbeiter bekannt, ohne dass es auf seine individuelle Kenntnis ankommt. Ihm ist die Kenntnis der in den Akten enthaltenen Tatsachen auch dann zuzurechnen, wenn er den Steuerfall nur überschlägig überprüft, ihm keine Prüfhinweise vorliegen oder die Prüfhinweise andere Besteuerungsgrundlagen betreffen.[2] Ergeben sich die Tatsachen nicht aus diesen Akten, kommt es auf die Kenntnis der zu der Entscheidung berufenen Personen der Finanzbehörde an. Es sind dies der Vorsteher, der Sachgebietsleiter und der Sachbearbeiter.[3] Nicht entscheidend ist die Kenntnis oder Unkenntnis einer anderen Dienststelle der zuständigen Finanzbehörde, die unter Verstoß gegen die organisatorische Zuständigkeit den Steuerbescheid tatsächlich erlässt.[4]

 

Rz. 119

Kenntnisse einer anderen Behörde (z. B. der Kfz-Zulassungsbehörde) sind der Finanzbehörde nicht zuzurechnen.[5] Gleiches gilt für Kenntnisse der ESt-Veranlagungsstelle für die Festsetzung der Investitionszulage.[6] Das gilt auch für die Kenntnis einer der entscheidenden Finanzbehörde vorgesetzten Oberbehörde, der gegenüber die entscheidende Finanzbehörde weisungsgebunden ist. Eine Oberbehörde ist organisationsmäßig nicht für die Bearbeitung konkreter Steuerfälle berufen. Gegenüber dem Stpfl. handelt nur das FA, und zwar auch dann, wenn sich die Oberbehörde in das Besteuerungsverfahren einschaltet. Die Oberbehörde hat den Inhalt der Steuerfestsetzung nicht zu verantworten.[7] Auch etwaige Ermittlungsfehler der Oberbehörde sind dem FA nicht zuzurechnen. Etwas anderes kann m. E. nur gelten, wenn die Oberbehörde dem FA hinsichtlich der Faktoren, die zur Änderung nach § 173 AO führen sollen, konkrete bindende Weisungen im Einzelfall erteilt hat, von denen das FA nicht abweichen kann. Insoweit liegt der Inhalt der Steuerfestsetzung im Verantwortungsbereich der Oberbehörde, sodass es auf ihre Kenntnis ankommt.

 

Rz. 120

Unterlässt die für die Entscheidung zuständige Behörde eigene Ermittlungen, sondern verlässt sie sich auf die Feststellungen einer anderen Behörde (leitet z. B. das für die SchenkungSt zuständige FA den maßgebenden Wert einer geschenkten KG-Beteiligung aus dem Einheitswert ab), so sind ihm die Kenntnisse dieser anderen Behörde (im Beispiel des Betriebs-FA) zuzurechnen. In diesen Fällen macht sich das zuständige FA dadurch, dass es sich auf die Entscheidung des anderen FA verlässt, dessen Kenntnisse zu eigen; dem anderen FA bekannte Tatsachen gelten daher auch dem entscheidenden FA als bekannt.[8]

 

Rz. 121

Auch innerhalb der gleichen Behörde braucht die für den Steuerfall zuständige Dienststelle nicht die Akten einer anderen Dienststelle, die für diesen Steuerfall nicht zuständig ist, zu kennen. Kenntnisse dieser anderen Stelle werden der zuständigen Stelle nicht zugerechnet.[9] Das gilt selbst dann, wenn die einzelnen Dienststellen verpflichtet sind, zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen.[10] Der Grund dafür, dass der Dienststelle nur die von ihr geführten Akten zuzurechnen sind, liegt darin, dass es in erster Linie Aufgabe des Stpfl. ist, der zuständigen Dienststelle die für die Steuerfestsetzung notwendigen Mitteilungen zu machen. Er kann die Dienststelle nicht darauf verweisen, sich selbst diese Daten zusammenzusuchen(vgl. auch den Rechtsgedanken aus Rz. 152). Daher ist die Kenntnis der einen Dienststelle der anderen Dienststelle auch dann nicht zuzurechnen, wenn beide Dienststellen denselben Sachgebietsleiter haben, weil dem Sachgebietsleiter bei Unterzeichnung einer Veranlagung nur die Akten der zuständigen Dienststelle vorgelegt zu werden pflegen. Der Sachgebietsleiter braucht nicht die Akten aller ihm zugeordneten Dienststellen heranzuziehen.[11] Etwas anderes wird nur gelten, wenn dem Sachgebietsleiter die Informationen aus der anderen Dienststelle positiv bekannt sind.[12] Zu lösen sind diese Fälle über die Regeln über die Verletzung der Ermittlungspflicht; vgl. Rz. 137.

 

Rz. 121a

Das gilt auch, wenn bei Ehegatten eine gesonderte Feststellung unterblieben ist und diese wegen der Scheidung der Ehegatten von einer anderen Dienststelle als der für die ESt-Festsetzung zuständigen erstmals durchgeführt wird. M. E. braucht für die gesonderte Feststellung nicht die ESt-Akte herangezogen zu werden. Die Stpfl. müssen eine Feststellungserklärung abgeben; es ist ihre Obliegenheit, darin dem FA alle für die Feststellung erforderlichen Angaben zu machen und Tatsachen mitzuteilen.[13]

 

Rz. 122

Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter bilden gemeinsam die zuständige Veranlagungsstelle. Dieser Veranlagungsstelle ist der Inhalt aller von der Veranlagungsstelle verwalteten Akten des fraglichen Steu...

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