Rz. 194

Die Vorschrift enthält eine besondere Ablaufhemmung für die Fälle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Steuerforderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits festgesetzt worden ist oder nicht. War sie zu diesem Zeitpunkt bereits festgesetzt, ist die Festsetzungsfrist gewahrt, sodass eine Hemmung nicht mehr erforderlich ist. Im Folgenden greift die Zahlungsverjährung ein, die nach § 231 Abs. 1 Nr. 4 AO durch die Anmeldung zur Tabelle unterbrochen wird. Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens beginnt eine neue Zahlungsverjährung. Ist die Steuer dagegen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht festgesetzt worden, ist der Erlass eines Steuerbescheids unzulässig. War die Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen, führt die Anmeldung der Steuerforderung zur Tabelle zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO. Das weitere Verfahren ist davon abhängig, ob die Anmeldung der Steuerforderung zur Tabelle bestritten worden ist oder nicht. Wird die Anmeldung nicht bestritten, wird sie in die Insolvenztabelle eingetragen. Dies hat nach § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und gilt damit als bestandskräftige Steuerfestsetzung. Die Festsetzungsfrist, die nach § 171 Abs. 13 AO gehemmt war, ist damit gewahrt. Für das weitere Verfahren nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gilt wiederum die Regelung über die Zahlungsverjährung. Wird die Steuerforderung vom Insolvenzschuldner nicht bestritten und in die Insolvenztabelle eingetragen, ist damit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eine Steuerfestsetzung nicht mehr notwendig und auch nicht mehr zulässig. Wird die Anmeldung vom Insolvenzverwalter oder von Insolvenzgläubigern bestritten, ohne dass der Steuergläubiger die Feststellung zur Insolvenztabelle nach § 251 Abs. 3 AO erstreitet, wird die Forderung nicht in die Tabelle eingetragen und ist daher bei Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht bestandskräftig festgestellt. Bestreitet der Insolvenzschuldner die Anmeldung und wird die Steuerforderung trotzdem in die Tabelle eingetragen, wirkt die Eintragung nicht gegen ihn. In beiden Fällen liegt keine Steuerfestsetzung vor, die die Festsetzungsfrist wahren würde. Dann muss nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eine Steuerfestsetzung erfolgen. Aus diesem Grund ordnet Abs. 13 eine Ablaufhemmung an, um erforderlichenfalls eine Steuerfestsetzung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Abs. 13 hat also nur Bedeutung für Steueransprüche, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht durch Steuerbescheid festgesetzt waren und entweder nicht zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind oder deren Tabelleneintrag der Insolvenzschuldner widersprochen hat.[1]

 

Rz. 194a

Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 13 AO gilt nicht für Erstattungsansprüche. § 87 InsO, wonach Forderungen nur nach den Vorschriften der InsO geltend gemacht werden können, gilt nur für Insolvenzforderungen, nicht für Ansprüche der Insolvenzmasse, und damit nicht für Ansprüche gegen den Steuergläubiger. Die Finanzbehörde kann daher über den geltend gemachten Erstattungsanspruch entscheiden, also z. B. eine Steuervergütung, auch einen Erstattungsanspruch wegen Vorsteuerüberhangs, durch Steuerbescheid festsetzen, oder durch Abrechnungsbescheid entscheiden. Eine Ablaufhemmung durch eine analoge Ausdehnung des § 171 Abs. 13 AO ist daher nicht erforderlich.[2]

 

Rz. 194b

Sachlich erfasst die Ablaufhemmung nur diejenigen Steueransprüche, deren Durchsetzung durch die Vorschriften der Insolvenzordnung beschränkt ist und die, wie der Wortlaut des § 171 Abs. 13 AO ausdrücklich sagt, zur Tabelle angemeldet werden müssen. Dies sind die Insolvenzforderungen. Keine Ablaufhemmung tritt für Ansprüche aus dem Steuerschulverhältnis ein, die nicht anzumelden sind. Es sind dies Masseansprüche und Steueransprüche gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners sowie Erstattungsansprüche der Masse und/oder des Insolvenzschuldners. Da insoweit das Insolvenzverfahren die Festsetzung durch Steuerbescheid nicht hindert, besteht kein Grund, insoweit eine Ablaufhemmung anzunehmen.[3]

 

Rz. 195

Die Ablaufhemmung beträgt 3 Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Sie hat Bedeutung nur für diejenigen Fälle, in denen die Steuer nicht bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt und die Festsetzungsfrist dadurch gewahrt worden ist, wenn die noch nicht festgesetzte Steuerforderung nicht zur Tabelle festgestellt worden ist oder die Feststellung zur Tabelle wegen des Widerspruchs des Insolvenzschuldners nicht wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt.

[1] Dißars, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 251 AO Rz. 105; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, S. 332ff.
[2] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, S. 323ff.; BFH v. 23.5.2009, XI R 63/07, BStBl II 2010, 11, BFH/NV 2009, 1561, unter II,2; BFH v. 25.7.2012, VII R 29/11, BStBl II 2013, 36, BFH/NV 2012, 2106, Rz. 19; BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BStB...

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