Rz. 18

Ein Vorbehalt der Nachprüfung aufgrund von behördlicher Entscheidung kann bei allen Steuerfestsetzungen i. S. d. §§ 155ff. AO beigefügt werden, also bei allen Steuerbescheiden sowie allen Bescheiden, die wie Steuerbescheide behandelt werden.[1] Hierzu gehören insbesondere Freistellungsbescheide nach § 155 Abs. 1 S. 3 AO, Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 181 Abs. 1 S. 1 AO[2], Steuermessbescheide i. S. d. § 184 Abs. 1 S. 3 AO, Zerlegungsbescheide nach § 185 i. V. m. § 184 Abs. 1 S. 3 AO, Zinsbescheide nach § 239 Abs. 1 AO sowie Vergütungsbescheide nach § 155 Abs. 4 AO.

Auch ein Schätzungsbescheid nach § 162 AO kann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen.[3] Der Stpfl. kann hingegen auch im Falle der Schätzung seiner Besteuerungsgrundlagen aus § 164 Abs. 1 AO – und zwar auch bei vorübergehender Hinderung an der Konkretisierung seiner Besteuerungsgrundlagen – keinen Rechtsanspruch (Ermessensreduzierung auf Null) auf eine Vorbehaltsfestsetzung herleiten.[4]

Eine Veranlagung unter dem Vorbehalt hat bei einer Schätzung aber zu unterbleiben, soweit die Schätzung – zum Beispiel mangels Aufklärbarkeit der Besteuerungsgrundlagen nach einer Außenprüfung – das Besteuerungsverfahren endgültig abschließen soll.[5] Eine Einschränkung ergibt sich demnach daraus, dass der Vorbehalt die Möglichkeit einer künftigen abschließenden Prüfung voraussetzt. Kein Vorbehalt kann also einem Bescheid insoweit beigefügt werden, als der erlassenden Behörde keine Befugnis zu einer sachlichen endgültigen Entscheidung zusteht. Dies ist bei einem Folgebescheid der Fall, soweit er an einen Grundlagenbescheid gebunden ist.[6] Soweit diese Bindung reicht, kann also der Folgebescheid nicht mit einem Vorbehalt versehen werden. Der Vorbehalt ist vielmehr dem Grundlagenbescheid beizufügen. Dies ist auch nicht nur eine Frage der Ermessensausübung[7]; vielmehr steht der für den Folgebescheid zuständigen Finanzbehörde für den Bereich, über den ein Grundlagenbescheid zu ergehen hat, keine Prüfungs- und Entscheidungskompetenz zu. Eine Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid ist darüber hinaus auch nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO möglich. Gleichwohl bleibt es der Finanzbehörde unbenommen, auch den Folgebescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu erlassen, wenn auch die – nicht im Grundlagenbescheid gesondert festgestellten – Besteuerungsgrundlagen für eine spätere Überprüfung vorgesehen sind.[8]

[1] G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 155 AO Rz. 13ff.
[3] BFH v. 17.3.1987, VIII R 7/84, BFH/NV 1987, 622; Oellerich, in Gosch, AO/FGO, § 164 Rz. 22; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 Rz. 14; Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 164 Rz. 3; vgl. auch AEAO zu § 162 Tz. 4.
[5] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 Rz. 14; Koenig/Gercke, AO, 4. Aufl. 2021, § 164 Rz. 29.
[6] A. A. Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 164 Rz. 3.
[7] So aber Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 AO Rz. 19; Koenig/Gercke, AO, 4. Aufl. 2021, § 164 Rz. 30.
[8] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 AO Rz. 19.

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