Rz. 9

Der Begriff "Bestandsaufnahme" wird nicht definiert. Nach allg. A.[1] umfasst die Bestandsaufnahme i. S. d. § 161 AO die Feststellung des Ist-Bestands und des Soll-Bestands. Der Ist-Bestand erfasst grds. die körperlich aufgenommenen Bestände an verbrauchsteuerpflichtigen Waren. Eine Ausnahme besteht bei Feststellung der Bestände aufgrund einer zugelassenen permanenten Inventur.[2] Der Soll-Bestand ist der Bestand, der sich rechnerisch durch Abziehen des Gesamtabgangs von den Gesamtzugängen nach Maßgabe der in den Betriebsbüchern enthaltenen Anschreibungen ergibt. Weichen die ermittelten Ist- und Sollmengen voneinander ab, so ergibt sich im Ausmaß der Abweichung eine Fehlmenge.

 

Rz. 10

Dieser Auffassung ist BFH v. 26.9.1989, VII R 57/86, HFR 1990, 113 nicht gefolgt. Die Bestandsaufnahme i. S. d. § 161 AO ist danach der Vorgang, der nach den Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts als solcher anzusehen ist. Sie kann auf die vorgeschriebene Feststellung des Ist-Bestands beschränkt sein, wenn nur die Anmeldung des Soll-Bestands, nicht aber dessen Feststellung (Aufnahme), vorgeschrieben ist. In diesem Fall ist als Bestandsaufnahme i. S. d. § 161 AO nur die körperliche Aufnahme der Bestände an verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu verstehen (Feststellung des Ist-Bestands).

 

Rz. 11

Das Urteil des BFH ist zu den verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften vor Inkrafttreten des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes ergangen. Seit dem 1.1.1993 bestimmen alle Durchführungsverordnungen zu den Verbrauchsteuergesetzen ausschließlich die Aufnahme des Ist-Bestands, während der Soll-Bestand lediglich anzumelden ist.[3] Die Bestandsaufnahme beschränkt sich nach aktueller Rechtslage ausschließlich auf die Feststellung des Ist-Bestands.

 

Rz. 12

Die Bestimmung in § 161 AO, dass die Fehlmenge sich "bei" einer Bestandsaufnahme ergeben muss, zwinge nicht zu der Schlussfolgerung, dass die Ermittlung des bei der Fehlmengenbesteuerung berücksichtigten Soll-Bestands von der Bestandsaufnahme umfasst werde. Die Bestimmung "bei" sei vielmehr dahin zu verstehen, dass die Feststellung einer Fehlmenge lediglich im Zusammenhang mit einer Bestandsaufnahme stehen muss.[4]

 

Rz. 13

Das bedeutet nicht, dass die Ermittlung des Soll-Bestands, der im Zeitpunkt der Feststellung des Ist-Bestands vorhanden sein müsste, sowie die Gegenüberstellung von Ist- und Sollmenge zur Ermittlung einer Fehlmenge entbehrlich wären. Nur gehören diese Vorgänge dann nicht zum Vorgang der Bestandsaufnahme. Die grundlegende Bedeutung von BFH v. 26.9.1989, VII R 57/86, HFR 1990, 113 liegt darin, dass der Fehlmengenberechnung grds. auch ein aufgrund nachträglicher Prüfung berichtigter Soll-Bestand zugrunde gelegt werden kann. Eine derartige Ermittlung des Soll-Bestands sowie ihr Vergleich mit dem Ist-Bestand und die Berechnung der Fehlmenge brauchen nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Feststellung des Ist-Bestands im Rahmen der Bestandsaufnahme vorgenommen werden.[5]

 

Rz. 14

Weder der Wortlaut des § 161 AO noch der Sinn und Zweck dieser Norm erfordern diese Auslegung. Gegen diese gegenteilige Auffassung spricht, dass sich danach die zu besteuernde Fehlmenge allein aufgrund der Angaben des Stpfl. ergeben würde. Ein abweichendes Ergebnis bei einer nachträglichen Prüfung durch die Finanzbehörde müsste im Rahmen der Fehlmengenbesteuerung unberücksichtigt bleiben, weil sich die Ermittlung des Soll-Bestands nicht "bei" einer Bestandsaufnahme ergäbe.[6] Dieses Ergebnis ist mit den Grundsätzen der gleichmäßigen Besteuerung nicht zu vereinbaren. Deshalb ist mit dem BFH davon auszugehen, dass die Bestandsaufnahme nach gegenwärtiger Rechtslage für alle Verbrauchsteuern ausschließlich die Ermittlung des Ist-Bestands erfasst.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 161 AO Rz. 3; Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 161 AO Rz. 3; v Wedelstädt, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 161 AO Rz. 2; Hessisches FG v. 1.12.1981, VII 432/77, ZfZ 1983, 309.
[2] Vgl. § 11 Abs. 2 BierStV; § 14 Abs. 2 BrStV; § 11 Abs. 2 SchaumwZwStV; § 12 Abs. 2 TabStV.
[3] S. Rz. 16.
[5] BFH v. 26.9.1989, VII R 57/86, HFR 1990, 113; a. A. Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 161 AO Rz. 3; Hessisches FG v. 1.12.1981, VII 432/77, EFG 1983, 374.
[6] So aber Hessisches FG v. 1.12.1981, VII 432/77, EFG 1983, 374.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge