Rz. 91

Die beiden Stufen der Anwendung des § 160 AO, das Benennungsverlangen und die Entscheidung über die Rechtsfolgen, werden verfahrensmäßig nach der hier vertretenen Auffassung unterschiedlich behandelt. Das Benennungsverlangen ist ein selbstständiger Verwaltungsakt nach §§ 118, 93ff. AO; die Änderung dieses Verwaltungsakts richtet sich nach §§ 130, 131 AO. Dieser Verwaltungsakt ist vollstreckbar, sodass die Finanzbehörde die Benennung des Gläubigers auch nach §§ 328ff. AO erzwingen kann.[1] Die Entscheidung über die Rechtsfolgen (Nichtansatz der steuermindernden Besteuerungsgrundlagen) erfolgt im Rahmen der Steuerfestsetzung, bildet also einen unselbstständigen Teil des Festsetzungs- oder Feststellungsbescheids. Demgemäß erfolgt die Änderung nach §§ 172ff. AO.

 

Rz. 92

Anders ist das Verfahren nach der Ansicht der Rechtsprechung, wonach das Benennungsverlangen unselbstständige Vorbereitungshandlung für den Erlass des Steuerbescheids ist.[2] Die Rechtmäßigkeit ist dann im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Steuerbescheid zu überprüfen. Im Ergebnis sind dann beide Entscheidungen, die über das Benennungsverlangen und die über die Rechtsfolgen, Teil der Steuerfestsetzung und im Rechtsbehelfsverfahren über die Steuerfestsetzung zu überprüfen. Das Benennungsverlagen ist dann kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt und auch nicht vollstreckbar.[3]

 

Rz. 93

Ist im Steuerbescheid der Abzug der Lasten bzw. Ausgaben versagt worden, kann der Stpfl. die Benennung des Gläubigers bzw. Zahlungsempfängers im Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor dem FG nachholen; vgl. dazu Rz. 104.

 

Rz. 94

Ist der Steuerbescheid bestandskräftig geworden, genügt eine Benennung des Gläubigers bzw. Empfängers nicht, um den Steuerbescheid zu ändern und die Lasten bzw. Ausgaben zum Abzug zuzulassen. Hinzu kommen muss, dass ein Änderungstatbestand der §§ 172ff. AO vorliegt. § 172 AO scheidet als Rechtsgrundlage für eine Änderung aber von vornherein aus. Auch der Tatbestand des § 173 AO liegt nicht vor, da die nachträgliche Benennung des Gläubigers bzw. Empfängers eine neu eintretende, keine schon vorher vorliegende, jetzt erst bekannt werdende Tatsache ist.[4] Der Tatbestand des § 174 AO liegt ebenfalls nicht vor, da die Nichtabzugsfähigkeit der Lasten und Ausgaben bei den Stpfl. und die Besteuerung des Gläubigers bzw. Empfängers nicht die Besteuerung "eines" Sachverhalts, also nicht widerstreitend i. S. d. § 174 AO.[5] ist. Die nachträgliche Benennung ist auch kein Ereignis mit Rückwirkung i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Eine Änderung des Steuerbescheids bei nachträglicher Benennung ist daher regelmäßig nicht möglich. Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde den Gläubiger bzw. Empfänger nachträglich, ohne Mitwirkung des Stpfl., ermittelt.

 

Rz. 95

Wird vom Stpfl. auf das Benennungsverlangen der Finanzbehörde ein Gläubiger bzw. Empfänger benannt, der nicht existiert oder bei dem die Ermittlungen ergeben, dass er nicht der wirkliche Gläubiger bzw. Empfänger ist (also nicht derjenige, dem die Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen sind), so hat der Stpfl. den Gläubiger bzw. Empfänger nicht pflichtgemäß benannt.[6] Es liegt eine neue Tatsache i. S. d. § 173 AO vor. Die Finanzverwaltung ist dann bei ihrer Entscheidung, § 160 AO bei der Steuerfestsetzung des Stpfl. nicht anzuwenden, von einem falschen Sachverhalt (ordnungsgemäße Benennung) ausgegangen. Die Steuerfestsetzung kann also nach § 173 AO geändert und der Abzug der Lasten und Ausgaben nachträglich versagt werden.[7]

[1] Vgl. Rz. 37.
[2] BFH v. 17.12.1980, I R 148/76, BStBl II 1981, 333; BFH v. 20.4.1988, I R 67/84, BStBl II 1988, 927; vgl. auch Hessisches FG v. 6.6.1983, IV 323/78, EFG 1984, 4.
[3] A. A. Padberg, FR 1977, 566; ebenso BFH v. 17.12.1980, I R 148/76, BStBl II 1981, 333 in einem obiter dictum; vgl. Rz. 37.
[6] Vgl. Rz. 14ff.
[7] A. A. FG Düsseldorf v. 26.10.1977, VII 174/75 E, EFG 1978, 108, das meint, die Finanzbehörde hätte einen Vorbehalt machen müssen.

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