4.1 Einordnung der Vorschrift
Rz. 44
Die Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 2 AO ist aufgrund der Gesetzesformulierung als Ergänzung der Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO gedacht (s. aber Rz. 30). Die Regelungen des § 153 Abs. 1 AO gelten also für die Anzeigepflicht bei unberechtigter Steuervergünstigung entsprechend.[1]
4.2 Begriff der Steuervergünstigung
4.2.1 Begriffsbestimmung
Rz. 45
§ 153 Abs. 2 und 3 AO verwendet die Begriffe "Steuerbefreiung", "Steuerermäßigung" und "sonstige Steuervergünstigung". Diese Begriffe sind in der AO nicht definiert. Der Begriff der "Steuervergünstigung" wird im Gesetz in verschiedenen Vorschriften verwendet, z. B. in den §§ 50, 51, 59, 60, 175 Abs. 2 AO. In § 348 Nr. 3 AO a. F. wurde der Rechtsbehelf des Einspruchs für zulässig erklärt gegen Verwaltungsakte über "Steuervergünstigungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht". Hiernach sind Steuervergünstigungen alle Vorteile, die sich auf die Höhe des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis bzw. auf dessen Geltendmachung oder Einziehung durch die Finanzbehörde auswirken. Nach dem BFH[1] umfasst der Begriff jede gegenüber dem Regelfall günstigere Gestaltung des Steuerrechtsverhältnisses, wie z. B. Befreiungen von der Steuerpflicht[2], Ermäßigungen, Absehen von der Geltendmachung oder Verschiebung der Geltendmachung.
Rz. 46
Der Begriff der "sonstigen Steuervergünstigung" umfasst also die Begriffe "Steuerbefreiung" und "Steuerermäßigung", die sich unmittelbar auf den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bzw. dessen Höhe beziehen, und ist i. d. S. als Oberbegriff zu bezeichnen. Er entspricht dem Begriff des Steuervorteils i. S. v. § 370 Abs. 1 AO.[3] Hierunter fallen auch Steuervergütungen[4], sodass sich die Anzeigepflicht auch bei nachträglichem Wegfall des Vorsteuerabzugs ergibt.[5]
4.2.2 Besondere Beispiele
Rz. 47
Steuervergünstigungen i. S. v. § 153 Abs. 2 sind z. B.[1] insbesondere[2]:
- Herabsetzung von ESt-Vorauszahlungen nach § 37 EStG; § 19 GewStG;
- zinslose Stundung der ErbSt nach § 25 ErbStG;
- Steuerbefreiungen nach § 13a ErbStG;
- Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach §§ 51ff.[3];
- Verkürzung der Anlagefrist nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG a. F.[4];
- steuerliche Rückwirkung der Vermögensübertragung nach § 2 Abs. 2 UmwStG[5];
- Ermäßigung der Steuermesszahlen für Hausgewerbetreibende nach § 11 Abs. 2 GewStG[6];
- Abzugsbeträge für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung nach § 10e EStG[7];
- Förderung nach dem in der Zwischenzeit aufgehobenen EigZulG[8];
- steuerfreie Übertragung von Grundstücken nach § 4 Nr. 5 GrEStG[9];
- Bewertung nach der Lifo-Methode gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG[10];
- Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG[11];
- Ermäßigung des USt-Satzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG[12];
- Baukindergeld nach § 34f EStG[13];
- Freistellung von Dividendeneinkünften nach dem DBA Irland.[14]
4.3 Anzeigepflichtiger
Rz. 48
Anzeigepflichtiger ist nach § 153 Abs. 2 AO der Stpfl., dem die Steuervergünstigung gewährt worden ist, bzw. entsprechend § 153 Abs. 1 S. 2 AO – auf den § 153 Abs. 2 AO durch die Formulierung ("ferner") verweist – der Gesamtrechtsnachfolger oder die nach §§ 34, 35 AO für den Stpfl. handelnden gesetzlichen Vertreter und Vermögensverwalter (Rz. 4, 5). Nicht anzeigepflichtig sind die Bevollmächtigten.
4.4 Voraussetzung der Anzeigepflicht
4.4.1 Wegfall der Steuervergünstigungsvoraussetzungen
Rz. 49
Die Anzeigepflicht bei unberechtigter Steuervergünstigung ist anders als die Korrekturpflicht für Steuererklärungen nicht von einem fehlerhaften Verhalten des Stpfl. abhängig. Entscheidend ist allein die tatsächliche Veränderung des Lebenssachverhalts, der Grundlage für die Entscheidung über die Steuervergünstig...
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