Rz. 28

Der Korrekturpflichtige muss nachträglich erkannt haben, dass die Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist.[1] Damit entfällt die Korrekturpflicht, wenn die Erklärung von ihm schon bewusst unrichtig oder unvollständig abgegeben worden ist.[2] Dies gilt auch bei bedingtem Vorsatz[3] des Korrekturpflichtigen.[4] In diesem Fall stellt das Verhalten von vornherein eine vollendete oder versuchte Steuerhinterziehung[5] dar, wenn eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten konnte. Wird gleichwohl eine Korrekturerklärung abgegeben, so kann diese nur als Selbstanzeige nach § 371 AO gewertet werden.[6] Durch das Tatbestandsmerkmal "nachträgliches Erkennen" der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit schließen sich Selbstanzeige nach § 371 AO und Berichtigungserklärung nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO begrifflich notwendig gegenseitig aus.[7] § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO begründet keine Pflicht zur Selbstanzeige nach § 371 AO.[8] Allerdings darf nicht verkannt werden, dass in der Praxis die Abgrenzung oftmals schwierig ist.[9]

 

Rz. 28a

Im Anwendungserlass zur AO[10] hat das BMF nunmehr die Aussage getroffen, dass das Bestehen eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das die Erfüllung der steuerlichen Pflichten sicherstellen soll, als ein Indiz dazu dienen kann, dass kein Vorsatz und auch keine Leichtfertigkeit gegeben sind, wobei vorrangig die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sind.[11] Wie ein solches steuerliches Kontrollsystem[12] angemessen auszugestalten ist, ist noch offen. Derzeit bietet es sich an, sich an dem entsprechenden Prüfungsstandard (PS) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zu orientieren, welcher die Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems zum Gegenstand hat.[13] Die dortigen Ausführungen sind relativ eng an dem angelehnt, was bereits seit vielen Jahren an Anforderungen an ein Internes Kontrollsystem gestellt wird. Abzuwarten bleibt, ob die Finanzverwaltung die Ausführungen des IDW als akzeptabel ansehen wird. Und auch wenn der Begriff der sog. Compliance in der heutigen Zeit oftmals eher überstrapaziert erscheint, bleibt festzuhalten, dass es jedem Unternehmen obliegt, ein System zu schaffen, welches die Erfüllung der steuerlichen Pflichten sicherstellt. Das war aber auch in der Vergangenheit bereits der Fall.

 

Rz. 28b

Ein bestehendes und funktionierendes Tax-CMS ermöglicht seit 1.1.2023 auch die Stellung eines Antrags nach § 38 EGAO.[14] Ein solcher Antrag kann für eine Erprobungsphase gestellt werden, um in der nächsten Außenprüfung Prüfungserleichterungen zu erlangen. Wie dies in der Praxis umgesetzt wird, bleibt zunächst abzuwarten.

 

Rz. 29

Die Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht aber, wenn der Korrekturpflichtige in Unkenntnis die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung schuldlos oder fahrlässig verursacht hat. Dies gilt auch dann, wenn sein Verhalten leichtfertig (grob fahrlässig) war und er damit gem. § 378 AO ordnungswidrig gehandelt hat.[15] Dies bedingt zwar, dass den Anzeigepflichtigen, soweit er leichtfertig gehandelt hat, faktisch eine Verpflichtung zur Selbstanzeige i. S. v. § 378 Abs. 3 AO trifft.[16] der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand gesetzlich verpflichtet werden kann, sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, steht dem aber nicht entgegen. Es ist der unterschiedliche Unrechtsgehalt beider Handlungen miteinander zu vergleichen. Die vorsätzliche Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Korrekturpflicht kann nicht straflose Nachtat der in der leichtfertigen Steuerverkürzung liegenden Ordnungswidrigkeit sein. Der Schutzgedanke muss entfallen, wenn durch eine neue, hier gravierendere Unrechtshandlung in die Rechtsordnung eingegriffen wird.[17] Der Anzeigepflichtige ist auch nicht schutzwürdig, da die Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO nach Entrichtung der verkürzten Steuer zur Bußgeldfreiheit führt. Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG ist in dieser steuerlichen Verpflichtung zur Selbstanzeige ordnungswidrigen Verhaltens nicht enthalten.[18]

 

Rz. 30

Die Korrekturpflicht besteht auch dann, wenn die mängelbehaftete Erklärung von einem Dritten abgegeben worden ist und dem Anzeigepflichtigen der Mangel erst nachträglich bekannt geworden ist. Das Verschulden des Dritten ist hierbei unerheblich.

 

Rz. 31

Nachträgliches Erkennen bedeutet, dass der Anzeigepflichtige nunmehr ein positives Wissen um die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung haben muss. Das Nichterkennen, auch wenn es auf Fahrlässigkeit oder gar Leichtfertigkeit beruht, kann eine Korrekturpflicht nicht begründen.[19]

 

Rz. 32

Der Grund für die nachträgliche Erkenntnis ist belanglos. Die Verpflichtung zur Korrektur wird insoweit auch begründet, wenn ein Dritter den Korrekturpflichtigen über den Erklärungsmangel informiert. Dies gilt auch, wenn die Information durch einen Amtsträger der zuständigen Finanzbehörde erfolgt.[20] Weil der Anzeigepflichtige dann aber grundsätzlich davon ausgehen darf, dass die Finanzbehörde den Fehler aus ei...

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