Rz. 18

Nicht begünstigend ist ein Verwaltungsakt, der weder ein Recht noch einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (vgl. Abs. 2). Er wirkt daher entweder belastend oder ist deklaratorisch (wie eine Anrechnungsverfügung). Von § 130 Abs. 1 AO sind dabei alle nicht begünstigenden Verwaltungsakte erfasst. Begünstigende Verwaltungsakte sind unter den besonderen Voraussetzungen des Abs. 2 zurückzunehmen. § 130 Abs. 1 AO spricht dabei nicht ausdrücklich von belastenden Verwaltungsakten, obwohl dies in der Praxis der Hauptanwendungsfall sein dürfte. Abs. 1 ist vielmehr auf alle Verwaltungsakte anzuwenden, die nicht belastend sind. Die Norm hat insoweit Auffangcharakter.

 

Rz. 18a

Belastend ist ein Verwaltungsakt, der Pflichten oder Nachteile begründet oder bestätigt, Rechte aufhebt oder nachteilig verändert oder die Begründung oder Bestätigung eines Rechts oder rechtlich erheblichen Vorteils ablehnt. Rechte i. d. S. sind alle subjektiven öffentlichen, materiellen oder formellen Rechte und rechtlich erheblichen Vorteile, die dem Bürger durch die Rechtsordnung zuerkannt werden; ein rechtlich erheblicher Vorteil ist ein durch das öffentliche Recht als schutzwürdig anerkannter und damit geschützter Vorteil einschließlich wirtschaftlicher Vorteile. Zu Beispielen für nicht begünstigende Verwaltungsakte aus dem Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern vgl. AEAO, zu Vor §§ 130, 131 Nr. 3 AO.

 

Rz. 19

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Verwaltungsakt begünstigend oder nicht begünstigend ist (die für die Anwendung der Abs. 1 oder 2 bedeutsam ist), kann entweder auf den (isoliert zu betrachtenden) Inhalt des zurückzunehmenden Verwaltungsakts abgestellt werden oder darauf, wie sich die Rücknahme im konkreten Fall für den Betroffenen auswirkt.

Im ersten Fall ist allein auf den Inhalt des Verwaltungsakts abzustellen, der zurückgenommen werden soll. Damit ist ein Verwaltungsakt, der eine Belastung des Stpfl. enthält, immer belastend, sodass sich seine Rücknehmbarkeit nach Abs. 1 richtet. Das gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt nur deshalb zurückgenommen werden soll, um einen neuen Verwaltungsakt, der eine höhere Belastung erhält, erlassen zu können (Rücknahme eines Haftungsbescheids, um einen neuen Haftungsbescheid über eine höhere Haftungssumme zu erlassen).

 

Rz. 20

Im zweiten Fall, d. h. bei Abstellen auf die Wirkung für den Betroffenen, hat regelmäßig jeder belastende Verwaltungsakt eine Doppelwirkung. Ein belastender Verwaltungsakt enthält danach regelmäßig nicht nur eine Belastung für den Stpfl., sondern auch gleichzeitig eine Begünstigung dahin gehend, dass keine höhere Belastung festgesetzt worden ist. Ein belastender Verwaltungsakt enthält danach gleichzeitig hinsichtlich der Höhe der Belastung eine Beschränkung und wirkt insoweit begünstigend.[1] Für die Anwendung des § 130 Abs. 1 oder 2 AO ist nach dieser Ansicht entscheidend, zu welchem Zweck die Rücknahme erfolgt. Ist Zweck der Rücknahme des Verwaltungsakts, die Belastung des Stpfl. gänzlich zu beseitigen oder herabzusetzen (z. B. Rücknahme eines Haftungsbescheids, um einen neuen Haftungsbescheid mit niedrigerer Haftungssumme zu erlassen), ist Abs. 1 anzuwenden, weil eine Belastung beseitigt wird. Ist Zweck der Rücknahme jedoch, einen neuen Verwaltungsakt mit einer höheren Belastung zu erlassen, soll also die "Beschränkungswirkung" des Verwaltungsakts beseitigt werden, wird insoweit ein begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen mit der Folge, dass Abs. 2 anzuwenden ist.[2] Dabei bedeutet diese Ansicht auch umgekehrt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt insoweit eine Belastung enthält, als der Verwaltungsakt keine höhere Begünstigung ausgesprochen hat. Soll der Verwaltungsakt zurückgenommen (oder widerrufen) werden, um die Begünstigung zu erhöhen, richtet sich die Rücknahme (bzw. der Widerruf) nach § 130 Abs. 1 AO bzw. § 131 Abs. 1 AO.

 

Rz. 21

Ein Verwaltungsakt, selbst wenn er für den Stpfl. belastend ist, regelt den Sachverhalt endgültig, sodass sich der Stpfl. darauf verlassen kann, dass jedenfalls keine höhere Belastung festgesetzt werden wird. Insoweit ist er in der gleichen Lage wie ein Stpfl., für den ein begünstigender Verwaltungsakt ergangen ist. Die gegenteilige Ansicht würde jeden Schutz des Stpfl. gegen eine höhere Belastung beseitigen; die Finanzbehörde könnte die Belastung durch Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts und Neuerlass immer erhöhen, soweit sie die Ansicht vertritt, dass der ursprüngliche Bescheid rechtswidrig war. Eine solche umfassende Einschränkung des Schutzes des Stpfl. durch die Bestandskraft würde dem abgewogenen System der Berücksichtigung von Rechtssicherheit und Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung einseitig zulasten des Stpfl. nicht entsprechen.

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