Rz. 44

Gegen Entscheidungen des für die Steuerberaterprüfung zuständigen Prüfungsausschusses, der nach § 35 Abs. 1 S. 2 StBerG bei der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde zu bilden ist, ist ein Einspruch nach § 348 Nr. 4 AO nicht statthaft und daher unmittelbar Klage zu erheben.[1]

Bei berufsbezogenen Prüfungen, wie der Steuerberaterprüfung, hat der Prüfling jedoch einen unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleiteten Anspruch darauf, die Einwände gegen die Bewertungen seiner Prüfungsleistungen bei der Prüfungsbehörde rechtzeitig und wirkungsvoll vorzubringen, um derart ein Überdenken dieser Bewertungen unter Berücksichtigung seiner Einwände zu erreichen. Die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidungen stößt insoweit an Grenzen, weil der Bewertungsvorgang von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt ist, die sich in einem Gerichtsprozess nur sehr schwer und teilweise gar nicht erfassen lassen. Insbesondere ist die durch den Grundsatz der Chancengleichheit gebotene gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten, zumal auf der Basis der persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der beteiligten Prüfer, nur erreichbar, wenn den beteiligten Prüfern bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt wird.[2]

Um den Anspruch des Prüflings auf das Überdenken der Prüfungsentscheidung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zu erfüllen, sieht § 29 Abs. 1 DVStB ein Überdenkungsverfahren vor.[3] Die beteiligten Prüfer sind danach verpflichtet, ihre Bewertung der Prüfungsleistungen zu überdenken, wenn dies von einem Bewerber, der die Prüfung nicht bestanden hat, mit begründeten Einwendungen bei der zuständigen Steuerberaterkammer schriftlich beantragt wird und die Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung noch nicht bestandskräftig ist. Die Durchführung des Überdenkungsverfahrens ist nicht an bestimmte Fristen gebunden.[4]

Das Überdenkungsverfahren hindert allerdings den Eintritt der Bestandskraft der Prüfungsentscheidung nicht und lässt nach § 29 Abs. 1 S. 2 DVStB den Lauf der Klagefrist unberührt. Soll daher eine Klage gegen die Prüfungsentscheidung eingelegt werden, ist dies ggf. neben der Einleitung des Überdenkungsverfahrens in die Wege zu leiten. Die Klagefrist beträgt, auch ohne dass eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wird, 1 Monat.[5] Das Klageverfahren wird grds. auch ohne ausdrücklichen Antrag des Prüflings bis zum Abschluss des Überdenkungsverfahrens ausgesetzt.[6]

 

Rz. 45

Ein neben dem Überdenkungsverfahren eingeleitetes Klageverfahren kann nach § 74 FGO bis zur Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgesetzt werden, eine Verpflichtung des FG hierzu besteht aber nicht. Es ist allerdings erforderlich, dass das vom klagenden Prüfling beantragte Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistungen durch die ursprünglichen Prüfer noch vor der Verhandlung und Entscheidung des Tatsachengerichts über die Prüfungsanfechtung stattfindet, damit das Ergebnis des Überdenkens vom Gericht berücksichtigt werden kann und der Kläger Gelegenheit erhält zu entscheiden, ob er ggf. seine Klage in Anbetracht des Ergebnisses des Überdenkungsverfahrens in der Hauptsache für erledigt erklärt oder zurücknimmt oder ob er sie mit dem Ziel einer zusätzlichen gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidung fortführen will.[7]

 

Rz. 46

Das Überdenkungsverfahren nach § 29 DVStB ist kein außergerichtliches Vorverfahren, sodass eine Kostenerstattung nach § 139 Abs. 3 S. 3 FGO nicht in Betracht kommt.[8]

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