Rz. 10

Der Anwendungsbereich des § 29b AO ergibt sich aus § 2a AO, wonach die Datenverarbeitung im (unmittelbaren) Anwendungsbereich der AO[1] erfolgen muss. Umfasst sind hiernach die Besteuerungsverfahren nach dem ersten bis siebten Teil der AO, soweit die Verwaltung bundesgesetzlich geregelter Steuern betroffen ist. Für die Gemeinden gilt dies nach § 1 Abs. 2 AO entsprechend, soweit diese Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuer) festzusetzen haben.

Bereits durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. d) DSGVO wird die Datenverarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten ausgenommen. Die durch das insoweit anwendbare erste und dritte Buch des BDSG zu fordernde Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung für diese Zwecke ist im achten Buch der AO und der StPO enthalten. Sog. "Vorfeldermittlungen" nach Maßgabe des § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO dienen in erster Linie der Prüfung, ob ein Besteuerungsverfahren einzuleiten ist und erst in zweiter Linie der Einleitung steuerstrafrechtlicher Schritte und unterfallen damit ohne Weiteres dem Anwendungsbereich der §§ 2a, 29b AO.

 

Rz. 11

Im Zuge der Durchführung des Besteuerungsverfahrens erhobene Daten werden einerseits im Rahmen eines Risikomanagementsystems (RMS) i. S. d. § 88 Abs. 5 AO auf die personelle Prüfungswürdigkeit hin untersucht. Für die Einstellung und Ertüchtigung dieses Systems ist nach § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 AO eine laufende Analyse der Ergebnisse dieses Systems, mithin eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit und Aktualität, erforderlich.[2] Gewünschtes Ergebnis des Risikomanagementsystems (RMS) und der ggf. erforderlichen personellen Überprüfung ist eine Risikoklassifizierung des Steuerfalls, um ggf. weitere Maßnahmen, wie z. B. weitere Sachaufklärung, etwa auch durch eine Außenprüfung i. S. d. § 193 AO, initiieren zu können. Da nun Daten aus vergangenen Besteuerungsverfahren genutzt werden, um Erkenntnisse für dem fiskalischen Risiko angemessene Untersuchungen für zukünftige Besteuerungsverfahren zu gewinnen, stellt sich die Frage, ob diese Verwendung noch vom ursprünglichen Erhebungszweck gedeckt ist, oder ob hierin eine zweckändernde Datenverwendung zu sehen ist.

Der Schluss darauf, dass die Verarbeitung zur Ertüchtigung des RMS nicht vom ursprünglichen Erhebungszweck und damit von § 29b AO gedeckt sei, scheint indes zu weitgehend, schon weil § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 AO eine regelmäßig Überprüfung der Einstellungen des RMS als Nebenaufgabe des Besteuerungsverfahrens fordert. Naturgemäß muss dies u. a. im Rahmen der personellen Überprüfung stichprobenhaft gezogener Echtfälle[3] erfolgen.[4] Ob wegen der einer Zufallsauswahl immanenten Unvorsehbarkeit der Überprüfung im Einzelfall eine gesonderte Information der betroffenen Person erforderlich ist[5], erscheint zweifelhaft, da der Amtsermittlungsgrundsatz in Gänze unvorhersehbar und damit in seinen Einzelheiten stets nicht berechenbar ist. Anderenfalls wäre wohl die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gefährdet, so dass jedenfalls ein Ausschlussgrund nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a) AO anzunehmen ist.

Kritischer zu sehen ist die automatisierte Entscheidungsfindung mittels Profiling. Hierbei zieht die datenerhebende Stelle Informationen des Stpfl. (z. B. im Rahmen seiner Steuererklärung) mit sonstigen Informationen Dritter und freiverfügbaren Informationen (z. B. aus Social-Media-Anwendungen) zusammen, um eine Analyse steuerlich relevanter Eigenschaften der betroffenen Person, wie z. B. deren Arbeitsleistung, ihre wirtschaftliche Lage oder ihre (steuerliche) Zuverlässigkeit, zu prognostizieren und interne Entscheidungsprozesse (z. B. Aufgabe zur Außenprüfung) zu beeinflussen.[6]

Würden auf Seite der Verwaltung derartige Techniken zum Einsatz gebracht, so wäre dies nur unter Beachtung erhöhter Anforderungen zulässig. Nach Art. 4 Nr. 4 DSGVO i. V. m. Art. 13 Abs. 2 Buchst. f), Art. 14 Abs. 2 Buchst. g), Art. 15 Abs. 1 Buchst. h) DSGVO wäre die betroffene Person über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung zu informieren. Zudem wären die verwendete Logik und die gewünschten Erkenntnisse des Profilingverfahrens offenzulegen. Nach Auskunft eines Vertreters des BMF werde indes aufseiten der Verwaltung gegenwärtig keine Technik, die als Profiling anzusehen ist, eingesetzt. Zudem gebe es keine diesbezügliche Bestrebungen, in einer Datenbank unterschiedliche Daten in einer derartigen Weise miteinander zu verbinden.[7]

[5] So wohl Ehrke-Rabel, FR 2019, 45, 54.
[6] Ehrke-Rabel, FR 2019, 45, 55.
[7] Richter/Welling, FR 2019, 67, 68 unter Hinweis auf eine Aussage von Dr. Myßen, Referatsleiter in der Steuerabteilung des BMF.

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