Leitsatz (amtlich)

Reichweite der Pflichten eines Steuerberaters bei Insolvenzgefahr wegen festgestellter bilanzieller Überschuldung

 

Normenkette

BGB § 280

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. April 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe - 2 O 463/17 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann der Kläger die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X. GmbH gegen die Beklagte - eine Steuerberaterin - Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und Steuerberaterhaftung geltend.

Über das Vermögen der 2008 gegründeten X. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) wurde mit Beschluss vom 10. März 2014 das Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Eröffnung folgte aufgrund des am 6. Februar 2014 bei Gericht eingegangenen Insolvenzantrages der Schuldnerin. Die Schuldnerin war vor Insolvenzantragstellung im Bereich der Distribution sowie dem Verkauf von digitalen Medien als "Startup"-Unternehmen tätig. Die Beklagte erbrachte im Rahmen eines Dauermandates seit dem Geschäftsjahr 2008 Steuerberatungs- und Buchführungsleistungen für die Schuldnerin. Das Mandat umfasste neben der vollständigen Finanzbuchhaltung und der Erstellung von Steuererklärungen auch die Erstellung von Jahresabschlüssen.

Der Kläger verlangt mit seinem Zahlungsantrag die Rückzahlung von Beträgen, die die Beklagte auf in Rechnung gestellte Honorare im Zeitraum vom 23. Juni 2009 bis 17. August 2011 erhielt, und zwar

Datum

Betrag (EUR)

23.06.2009

795,12

14.09.2009

17,14

24.09.2009

828,24

05.10.2009

34,27

07.11.2009

34,27

23.11.2009

414,12

04.12.2009

227,06

06.01.2010

34,27

15.03.2010

241,34

23.03.2010

414,12

25.03.2010

1.032,33

06.04.2010

17,14

03.05.2010

17,14

03.05.2010

198,50

11.08.2010

215,64

13.09.2010

17,14

21.10.2010

215,64

16.11.2010

17,14

30.11.2010

215,64

06.04.2011

198,50

12.05.2011

198,50

22.07.2011

198,50

17.08.2011

198,50

Summe:

5.780,26

Die Schuldnerin war jedenfalls seit dem 31. Dezember 2009 bilanziell überschuldet. Der insoweit von der Beklagten am 24.03.2010 für 2009 erstellte Jahresabschluss (K2) wies einen nicht durch das Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 74.159,53 EUR aus. Dieser Fehlbetrag erhöhte sich bis zum 31. Dezember 2010 ausweislich der von der Beklagten am 31. Mai 2011 erstellten Bilanz für das Jahr 2010 (K3) auf 134.735,60 EUR. Im von der Beklagten am 10. September 2013 erstellten Jahresabschluss für das Jahr 2011 (K4) wurde ein gesteigerter Fehlbetrag in Höhe von 240.950,23 EUR ausgewiesen. Die Schuldnerin verfügte nicht über stille Reserven. Im Jahr 2010 erteilte die Y.GmbH (Y) der Schuldnerin eine Zusage für eine Beteiligung in Höhe von 100.000,00 EUR in Form einer typischen stillen Beteiligung und zahlte der Schuldnerin diese Beteiligungssumme auch aus.

Unter dem 24. März 2010 schrieb die Beklagte an die Schuldnerin wie folgt (K5):

"Die Gesellschaft ist zum 31.12.2009 in Höhe von 74.159,53 EUR buchmäßig überschuldet. Da die buchmäßige Überschuldung gegenwärtig nicht beseitigt ist und stille Reserven nicht bestehen, ist die Gesellschaft auch tatsächlich überschuldet.

Gemäß § 64 GmbHG besteht für Sie daher die Verpflichtung, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen."

Mit weiteren Schreiben vom 31. Mai 2011 (K6) und 10. März 2013 (K7) erteilte die Beklagte für die Geschäftsjahre 2010 und 2011 jeweils einen wortgleichen Hinweis.

Der Zeuge Z. - damaliger Geschäftsführer der Schuldnerin - stellte der Beklagten zu nicht mehr nachvollziehbaren Zeitpunkten eine "Roadmap 2012" vom 6. November 2011 (B2) sowie einen Business-Plan (Anlage B3) zur Verfügung. Diese Unterlagen sollten die Unternehmensstrategie der Schuldnerin verdeutlichen. Die Beklagte erstellte weiterhin bis zum Jahresabschluss für 2011 vom 10. September 2013 die Buchführung für die Schuldnerin, hinsichtlich der Bezahlung vertröstete der Zeuge Z. die Beklagte seit seiner letzten Zahlung vom 17. August 2011 immer wieder.

Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin habe zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen jeweils mit dem Vorsatz zur Benachteiligung von Insolvenzgläubigern gehandelt, was der Beklagten bewusst gewesen sei. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass die Beklagte nicht nur die Jahresabschlüsse der Schuldnerin erstellt habe, sondern auch unabhängig hiervor unterjährig die Finanzbuchführung der Schuldnerin abgewickelt habe. Die Schuldnerin habe seit Januar 2009 fortlaufend verlustbringend gewirtschaftet. Hieran habe selbst die stille Beteiligung der MBG nichts geändert, da sie als Fremdkapital zu bilanzieren gewesen sei und deshalb auf die Überschuldung der Gesellschaft keinen Einfluss gehabt habe. Je...

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