Entscheidungsstichwort (Thema)

Trauerreden - keine künstlerischen Darbietungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Am üblichen Brauchtum orientierte Trauerreden sind regelmäßig nicht als künstlerische Darbietungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu qualifizieren. Die nach der Rechtsprechung des BFH erforderliche schöpferische Gestaltungshöhe wird nicht bereits durch einen niveauvollen Redetext erreicht.

Für die Abgrenzung einer künstlerischen von einer herkömmlichen unternehmerischen Betätigung kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Leistungserbringers, sondern auf die allgemeine Verkehrsanschauung bzw. die Perspektive des Verbrauchers an.

Handelt es sich bei der Trauerrede um ein Auftragswerk, das auf der Grundlage eines herkömmlichen, von der typischen Erwartungshaltung des Bestellers geprägten Redegerüsts erstellt wird, dann tritt eine mögliche künstlerische Ausschmückung der Rede und/oder ein subjektiv als Kunst empfundenes Tätigwerden hinter dem Gebrauchswert des Werks zurück - Ergänzung zu BFH, Urteil vom 3.12.2015 V R 61/14, BStBl II 2020, 797.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a; GG Art. 5 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob auf die Umsätze des Klägers als Trauerredner der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz (UStG) - Darbietungen ausübender Künstler - zur Anwendung kommt.

Der Kläger ist Diplom-Theologe mit absolvierter Ausbildung zum evangelischen Pastor. Nachdem er sich zu einer atheistischen Lebens- und Daseinsauffassung bekannte, trat er im Jahre 1992 aus der Kirche aus. In den Streitjahren 2011 bis 2018 erzielte er u.a. Umsätze aus dem Halten von Trauerreden. Er macht geltend, dass seine aus Anlass von Trauerfeiern gehaltenen Reden Teil einer Gesamtdarbietung mit einem jeweils individuell erstellten künstlerischen Arrangement darstellten. Es gehe ihm nie allein um den Tod, sondern um Lebenskunst und Perspektiven aus erlebter lebendiger Freude. Im Gegensatz zu kirchlichen Trauerreden bestehe sein künstlerischer Ansatz in der Absicht, eine Darbietung zu schaffen, die frei von religiösem Denken nicht etwa indoktriniere, missioniere oder zu uneigenem Gedankengut lenke, sondern Menschen sich auf sich selbst besinnen lasse, auch indem sie diese zu Erkenntnis, zur Beobachtung und Reflektion ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen einlade. Er führt zum Inhalt seiner Darbietungen wörtlich aus:

"Jede meiner Darbietungen ist ein individuell erstelltes künstlerisches Arrangement. Ich verwende weder religiöse Inhalte, allgemeine Versatzstücke, noch vorgefertigte Redepassagen oder Redebausteine, sondern habe seit Beginn meiner Tätigkeit jede einzelne Trauerfeier einzeln schriftlich bearbeitet. Sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt her unterscheidet sich jede Darbietung von jeder anderen. Hunderte mir vorliegender persönlicher Danksagungen bestätigen die stets persönliche Vorgehensweise und eigenschöpferische Qualität der Ansprache der Zuhörer. Vergleichbar einer Theaterkulisse wird auch die Umgebung in die Gestaltung einbezogen. Die heute üblichen individuellen Dekorationen, besondere Lichtverhältnisse, akustische Gegebenheiten, Raumgröße, Sitzordnung und Gestaltung der Bestuhlung werden von mir vor jedem Vortrag bedacht, soweit es die jeweiligen Räumlichkeiten zulassen".

Der Kläger stützt den Anspruch auf Steuerermäßigung auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Der BFH entschied mit Urteil vom 3.12.2015 V R 61/14, BStBl II 2020, 797, dass ein Trauer- oder Hochzeitsredner "ausübender Künstler" im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz - UStG - sei, wenn seine Leistungen eine schöpferische Gestaltungshöhe erreichen. Der Kläger sah diese Voraussetzungen in seinem Falle als gegeben an und beantragte am 10.10.2016 die entsprechende Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2014. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - lehnte den Änderungsantrag mit Verfügung vom 4.11.2016 ab. Den Einspruch des Klägers wies es mit Einspruchsentscheidung vom 2.12.2020 zurück: Der künstlerische Charakter der erbrachten Leistungen sei nicht ausreichend belegt. Auf die subjektive Einschätzung des Klägers komme es nicht entscheidend an. Die konkreten Redetexte seien nicht vorgelegt worden, so dass eine weitergehende Prüfung nicht möglich sei. Die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2015 bis 2018 erfolgten ebenfalls zum Regelsteuersatz von 19%. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA aus den vorgenannten Gründen mit gesonderter Einspruchsentscheidung vom 2.12.2020 zurück.

Mit der am 22.12.2020 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die vom Bundesfinanzhof in seiner Leitentscheidung vom 3.12.2015 aufgestellten Anforderung an eine Steuerermäßigung seien durchgängig erfüllt. Die Redetätigkeit des Klägers sei ausnahmslos als individuelle, freie und schöpferische Gestaltung zu qualifizieren. Die jeweilige eigenschöpferische Leistung und die Gestaltungshöhe seien aussagekräftig durch das da...

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