Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs für ein volljähriges, schwerbehindertes Kind. Familienleistungsausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Ermittlung des notwendigen behinderungsbedingten Mehrbedarfs eines schwerbehinderten, in einer eigenen Wohnung lebenden, dort ambulant betreuten und tagsüber in einer Behindertenwerkstatt arbeitenden Kindes im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG ist der Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 3 EStG) zusätzlich neben den Kosten für Betreuungs- und Pflegeleistungen Dritter (in Form der Behindertenwerkstatt), den Kosten für das betreute Wohnen (abzüglich der Verpflegungskosten), der sich aus H 186-189 EStH, Stichwort „Fahrtkosten Behinderter” ergebenden Fahrtkostenpauschale (im Streitjahr 2000: 3000 km zu 0,52 DM) anzusetzen. Nicht zu berücksichtigen sind die bereits beim Grundbedarf berücksichtigten Beiträge des Kindes zu Sozialversicherungen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 33b Abs. 3

 

Tenor

Der Bescheid vom 30.12.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2000 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind P ab Januar 2000.

Mit Bescheiden vom 14.05.1996 setzte der Beklagte ab November 1995 Kindergeld für die am 15.07.1972 geborene Tochter P zugunsten der Klägerin fest.

P ist behindert und besitzt einen ab dem 10.06.1991 gültigen Schwerbehindertenausweis mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v.H. und dem Merkzeichen „G”. Seit dem 15.09.1999 lebt P in ihrer eigenen Wohnung und wird dort ambulant betreut. Die Betreuungskosten betrugen im Jahr 2000 insgesamt 5.813,88 DM. Das Kind arbeitet in einer Behindertenwerkstatt, wofür in 2000 Kosten i.H.v. 12.940,43 DM, davon 839,87 DM für Verpflegung anfielen. An den Wochenenden, an Feiertagen und im Krankheitsfall holen die Klägerin und ihr Ehemann, der Vater des Kindes, P mit dem Auto nach Hause. Manchmal ruft das Kind P auch kurzfristig zu Hause an, wenn es ihm schlecht geht. In diesem Fall holt die Klägerin ihr Kind ebenfalls mit dem Auto ab. Zur Behindertenwerkstatt kann P mit dem öffentlichen Personennahverkehr selbst fahren. P kann auch Fahrrad fahren. Sie muss aber häufig gefahren oder zumindest begleitet werden, weil sie nicht lesen und sich deshalb nicht selbständig orientieren kann. Ihr Betreuer sucht P einmal im Monat in ihrer Wohnung auf und fragt nach, ob alles in Ordnung ist. Ferner hilft er dem Kind P beim Schriftverkehr mit den Behörden. Die Betreuer unternehmen mit den behinderten Kindern ab und an Kinobesuche. In diesem Fall muss die Klägerin ihre Tochter zum Treffpunkt hinfahren und insbesondere wieder abholen, weil sich P im Dunkeln nicht zurecht findet. P erhielt im Jahr 2000 eine Rente i.H.v. 9.096 DM, Wohngeld i.H.v. 1.692 DM und ein Arbeitsentgelt i.H.v. 3.008,52 DM. Ferner wurden ihr Eingliederungshilfen i.H.v. 14.753,04 DM für die Behindertenwerkstatt und i.H.v. 5.813,88 DM für das betreute Wohnen gewährt. Ergänzend bezog P ab Februar 2000 Hilfe zum Lebensunterhalt i.H.v. 218 DM monatlich.

Mit Bescheid vom 30.12.1999 wurde die Kindergeldfestsetzung für das Kind P gegenüber der Klägerin ab Januar 2000 aufgehoben, weil P im Stande sei, sich selbst zu unterhalten. Den dagegen eingelegten Einspruch vom 17.01.2000 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5.7.2000 als unbegründet zurück.

Am 1.8.2000 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie beantragt,

den Bescheid vom 30.12.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.7.2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei der Prüfung der Fähigkeit des Kindes sich selbst zu unterhalten seien neben dem Grundbedarf i.H.v. 13.500 DM im Streitjahr als behinderungsbedingter Mehrbedarf die Kosten der Behindertenwerkstatt abzüglich des Verpflegungsanteils, die Kosten des betreuten Wohnens und Sozialversicherungskosten i.H.v. 1.812,60 DM jährlich anzusetzen, insgesamt 33.227,04 DM. Dem stünden an eigenen Mitteln des Kindes die Rente, das Wohngeld, das Arbeitsentgelt, die Eingliederungshilfen und die Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber, wovon der Arbeitnehmerpauschbetrag i.H.v. 2000 DM, die Werbungskostenpauschale auf den Erwerbsanteil der Rente i.H.v. 200 DM und die Kostenpauschale hinsichtlich der Bezüge i.H.v. 360 DM in Abzug zu bringen seien, so dass sich insgesamt Mittel i.H.v. 34.201,43 DM ergeben würden. Pauschalierte Fahrtkosten Behinderter nach H 186-189 EStH i.H.v. 1.560 DM will der Beklagte im Klageverfahren nicht mehr anerkennen. Auch den Behindertenpauschbetrag gemäß § 33b EinkommensteuergesetzEStG – i.H.v. 2.070 DM wolle er nicht berücksichtigen, weil die dadurch ...

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