Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld bei über 18-jährigen behinderten Kindern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für ein über 18 Jahre altes behindertes Kind ist Kindergeld nur dann zu zahlen, wenn es dem Kind objektiv unmöglich ist, seinen gesamten Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten.
  2. Der gesamte existenzielle Lebensbedarf setzt sich aus dem Grundbedarf i.H.v. 12.360,- DM in 1998 (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen.
  3. Mangels Einzelnachweis kann der maßgebliche Behindertenpauschbetrag (§ 33b Abs. 1 - 3 EStG ) als Anhaltspunkt für den betreffenden Mehrbedarf dienen.
  4. Bei einem geringeren Behinderungsgrad als 70 % können Fahrtkosten nur berücksichtigt werde, sofern nachgewiesen wird, dass sie durch die Behinderung verursacht worden sind.
  5. Persönliche Betreuungsleistungen der Eltern eines behinderten Kindes können als Mehrbedarf in Betracht kommen, wenn es sich hierbei um Leistungen der Eltern handelt, die mit der Behinderung des Kindes unmittelbar und typisch zusammen hängen.
  6. Bei der Berechnung des Wertes von Sachbezügen bei unentgeltlicher Verpflegung für einen Arbeitnehmer ist ihm der Wert eines Mittagsessens nur zuzurechnen, wenn er an dem betreffenden Tag auch arbeitet. Fehltage wegen Krankheit, Urlaub, sowie Tage wegen Betriebsruhe bleiben außer Betracht.
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 4 Nr. 3; SachBezV § 1 Abs. 1, 3

 

Streitjahr(e)

1998

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob dem Kläger Kindergeld für das Kind…(X) zusteht.

Der Kläger ist der Vater des am…1962 geborenen X, der psychisch behindert ist. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes A vom 30.10.1986 betrug der Grad der Behinderung zunächst 60 v.H. und beträgt nunmehr nach dem Bescheid vom 29.11.1994 50 v.H.; auf die genannten Bescheide wird Bezug genommen. Aufgrund der Behinderung ist X unfähig zur Erwerbstätigkeit und zum Selbstunterhalt durch eine solche; zwischen den Beteiligten besteht hierüber Übereinstimmung.

Seit 14.02.1996 wird X im Rahmen der Eingliederungshilfe Behinderter in teilstationären Einrichtungen gemäß §§ 39 f Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter der Kostenträgerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in den…Werkstätten (...W) beschäftigt. Die dortige Beschäftigungszeit (ging) geht von Montag bis Donnerstag von 08.00 bis 16.00 Uhr und am Freitag von 08.00 bis 14.00 Uhr. An Wochenenden, gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. sowie in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr und während des Betriebsurlaubs (wurde) wird nicht gearbeitet. Der Betriebsurlaub war 1998 vom 20.07. bis 07.08.1998, am 02.01.1998 wurde ebenfalls nicht gearbeitet. X erhielt für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.1998 ein Arbeitsentgelt einschließlich Sonderzuwendungen von insgesamt 2.099,95 DM. Darüber hinaus konnten die in den…Werkstätten Beschäftigten dort eine Mittagsmahlzeit erhalten; X erhielt diese Mahlzeit unentgeltlich.

1998 war X u.a. wegen Krankheit und Urlaubs wiederholt nicht an allen Arbeitstagen in den ...Werkstätten tätig. Die Zahl seiner Arbeitstage betrug im Januar 15, Februar 16, Juni 17, Juli 13, August 6. Oktober 9, November 15 und Dezember 17. In den Monaten März, April, Mai und September war X an jedem Arbeitstag in den…Werkstätten.

Für 1998 erhielt X vom Sozialamt der Stadt A nach dem BSHG und nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) Hilfe zum Lebensunterhalt, pauschaliertes Wohngeld und Beihilfen i.H.v. insgesamt 12.560,68 DM. Das an den Kläger gezahlte Kindergeld wurde vom Sozialamt als Einkommen des Kindes nicht angerechnet; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen des den Beteiligten übersandten Schriftsatzes des Sozialamtes A vom 31.07.2001 (Blatt 24-39, 42-43 der Beiakte) verwiesen. Hinsichtlich der Leistungen des Sozialamtes A an X wurde der Kläger von dem Sozialamt nach § 91 BSHG nicht in Anspruch genommen.

Ab 01.07.1992 wohnte X in der E - Straße…in A in einer Wohngemeinschaft mit ebenfalls psychisch Behinderten. Es handelte sich hierbei um Betreutes Wohnen in einer Einrichtung der…-Wohnstätten e.V. (DW) in A . X ist auf Betreuung angewiesen. Dem Betreuten Wohnen lag ein Betreuungsvertrag zwischen X und der DW zu Grunde, der dem zu den Gerichtsakten gegebenen Betreuungsvertrag vom 24.09.1998 entspricht (Blatt 183 f der Akte 9 K 3425/00). Ziel der Betreuung ist die Hinführung des Betreuten zu einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung. Hierfür erhielt X Hilfe von den Mitarbeitern der DW. Dazu zählte unter anderem, dass mindestens zweimal wöchentlich die Mitarbeiter des DW mit X Gespräche führten. Je nach dem Gesundheitszustand von X konnte dies auch öfter der Fall sein; auf das Schreiben des Gerichts an die DW vom 16.11.2001 und auf das Antwortschreiben vom 12.12.2001 wird hingewiesen. Darüber hinaus schloss X mit dem DW einen Untermietvertrag vom 01.07.1992, nach welchem X im Rahmen der Wohngemeinschaft Mieter eines Zimmers der im 2. Stock des Hauses E - Straße…gelegenen Wohnung wurde. Die Miete hierfür betrug 333,34 DM monatlich...

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