Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang des Verlustabzugs einer Genossenschaft bei Verschmelzung auf eine andere Genossenschaft und überwiegender Beteiligung der bisherigen Genossenschaftsmitglieder an der „neuen” Genossenschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 8 Abs. 4 KStG 1999 gilt für Körperschaften und damit auch für Genossenschaften. Bei der Übertragung von Genossenschaftsanteilen geht die wirtschaftliche Identität der Genossenschaft verloren, wenn durch die Anteilsübertragung das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erreicht wird wie bei der Übertragung der Mehrheit der Anteile an einer Kapitalgesellschaft.

2. Bei der Verschmelzung einer Genossenschaft auf eine andere Genossenschaft tritt ein Verlust der wirtschaftlichen Identität nicht ein – und ist § 8 Abs. 4 KStG 1999 nicht anwendbar –, wenn die Zahl der neuen Mitglieder die Zahl der Altmitglieder nicht übersteigt und wenn die neuen Mitglieder nicht in der Lage sind, Beschlüsse gegen den Willen der Altmitglieder zu fassen.

 

Normenkette

KStG 1999 § 8 Abs. 4 Sätze 1-2; GenG § 43 Abs. 3; GewStG 1999 § 10a Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.01.2013; Aktenzeichen I R 70/11)

BFH (Urteil vom 23.01.2013; Aktenzeichen I R 70/11)

 

Tenor

1. Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob nach einer Verschmelzung ein Verlustabzug und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust, die gegenüber der Klägerin festgestellt worden sind, berücksichtigt werden können.

Mit Vertrag vom xxxxxxx wurde die frühere A. eG (übertragende Gesellschaft) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 auf die B. eG (übernehmende Gesellschaft = Klägerin) verschmolzen. Die Anzahl der Genossenschaftsmitglieder der Klägerin war höher als die der A. eG, doch hatten die Genossenschaftsmitglieder der A. eG eine höhere Zahl von Genossenschaftsanteilen gezeichnet. Bei Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1999 blieb ein Verlust in Höhe von xxxxxx DM aus dem Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 1998, bei Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 1999 und bei Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1999 blieb ein Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998 in Höhe von xxxxxxx DM unberücksichtigt, weil das Finanzamt davon ausging, dass die Klägerin mit der Verschmelzung ihre wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG 1999 verloren habe.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht legt den protokollierten Klageantrag dahingehend aus, dass der festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1998 in voller Höhe bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 1999 vom Gewerbeertrag abgezogen und der danach verbleibende Gewerbeverlust bei der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1999 berücksichtigt werden soll. Nur dieser Antrag entspricht dem Gesetz (§ 10a S. 1 und 2 GewStG 1999) und wurde im Übrigen in dieser Form in den Schreiben vom 4. Mai und 19. September 2007 gestellt.

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat durch die Verschmelzung ihre wirtschaftliche Identität i.S. des § 8 Abs. 4 KStG 1999 nicht verloren.

1. Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1999, für die Ermittlung des Gewerbeertrages i.V.m. § 10a Satz 4 des GewStG 1999, ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d EStG und für die Kürzung des Gewerbeertrages um Fehlbeträge bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG 1999 definiert die sog. wirtschaftliche Identität einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft „insbesondere”), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Nach diesem Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG 1999 fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden und die Kapitalgesellschaft den Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt. Die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft als Rechtsperson bestimmt sich damit durch ihren Unternehmensgegenstand, ihr verfügbares Betriebsvermögen und die qualifizierte Änderung der Beteiligungsverhältnisse.

§ 8 Abs. 4 KStG 1999 gilt auch für Genossenschaften, nachdem sich Satz 1 der Vorschrift auf „Körperschaften” bezieht. Das in Satz 2 für Kapitalgesellschaften beschriebene Beispiel ist Wertungsmaßstab für andere Fälle des Verlustes der wirtschaftlichen Identität. Bei anderen Körperschaften als Kapitalgesellschaften feh...

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