rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsinanspruchnahme des Strohmann-Geschäftsführers einer GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wer die Stellung eines GmbH-Geschäftsführers übernommen hat, haftet nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben und seiner Pflicht, die Person sorgfältig auszuwählen, der er die Erledigung steuerlicher Angelegenheiten der GmbH und damit die Erfüllung seiner eigenen Pflichten überlässt, nachzukommen.

2. Auf sein eigenes Unvermögen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen, kann sich niemand berufen.

 

Normenkette

AO §§ 69, 34 Abs. 1, §§ 35, 191 Abs. 1

 

Tenor

1. Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 21. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2006 wird die Haftungssumme auf 53.832 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 71 v.H. und dem Finanzamt zu 29 v.H. auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

V. H. war vom 1. August 1995 bis 28. Februar 1997 (vgl. Insolvenzgutachten, Bl. 38, 44 Gerichtsakte), der Kläger im Zeitraum vom 19. Februar 1997 bis zum 31. Juli 1998 alleiniger Geschäftsführer der I. K. V. – und I. GmbH (GmbH); er erhielt für seine Tätigkeit ein Gehalt von 5.000 DM brutto/monatlich. Alleiniger Gesellschafter der GmbH während dieses Zeitraums war H. J. B. Die GmbH betrieb das Bauträger-Geschäft. Ab 1995 erwirtschaftete die GmbH nur noch Verluste. Auf Grund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH durften Verfügungen über das Darlehenskonto „nur nach Baufortschritt und ausschließlich zur Finanzierung des im Verwendungszweck genannten Bauvorhabens” durchgeführt werden (vgl. Kreditvertrag vom 31. Dezember 1997 mit der B.-Bank, Seite 9 des Gutachtens des Rechtsanwalts H. vom 3. Februar 1999 – Gutachten –).

Das Amtsgericht L. hat mit Beschluss vom 31. Juli 1998 die Sequestration des Vermögens der GmbH angeordnet und ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen. Am 9. Februar 1999 hat das Amtsgericht L. über das Vermögen der GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und einen Verwalter bestellt. Zur wirtschaftlichen Situation der GmbH wird auf das Gutachten verwiesen. Dort sind die Verbindlichkeiten der GmbH (ohne Steuerschulden) mit 1.332.793 DM und die hierauf geleisteten Zahlungen mit 682.168 DM angegeben. Die Steuerschulden im Zeitraum vom 19. Februar 1997 (Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer) bis zum 31. Juli 1998 (Anordnung der Sequestration) betrugen insgesamt 454.742,14 DM; hierauf hat die GmbH 139.836,88 DM bezahlt.

Die GmbH war mit Investitionszulage, Zinsen hierzu sowie Umsatzsteuer 1996 bis Mai 1998 und Säumniszuschlägen in Höhe von 423.664,26 DM in Rückstand. Der Beklagte (das Finanzamt) nahm den Kläger für diese Rückstände in Höhe von 310.919,64 DM in Haftung; die Pflichtverletzung beruhe hinsichtlich sämtlicher Rückstände darin, dass der Kläger die fälligen Steuern nicht bei Fälligkeit entrichtet habe. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1997 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für April 1998 bestehe die Pflichtverletzung darin, dass der Kläger weder die Jahreserklärung noch die Voranmeldung beim Finanzamt eingereicht habe. Daher habe das Finanzamt erst bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 1999 hinsichtlich des Besteuerungszeitraums 1997 Ausgangsrechnungen und Zahlungseingänge steuerlich erfassen können (vgl. Haftungsbescheid vom 21. Dezember 2001, Blatt 77 Haftungsakte). Das Finanzamt ging von einer Haftungsquote von 80% aus. Zum Auswahlermessen ist dort ausgeführt, dass eine Haftungsinanspruchnahme auch gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer H. und den faktischen Geschäftsführern H. M. B. und H. J. B. erfolgt sei.

Das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung betreffend die Voranmeldungen Zeiträume März bis Dezember 1996 zu Gunsten der GmbH gegen den früheren Geschäftsführer H. wurde mit Verfügung vom 16. Juni 2003 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ihm war zur Last gelegt worden, dass er Vorsteuer auch im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen geltend gemacht hatte. Die Staatsanwaltschaft war der Auffassung, dass dem früheren Geschäftsführer H. weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit nachzuweisen sei.

Das Steuerstrafverfahren gegen H. M. B. wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 1997 und 1998 zu Gunsten der GmbH wurde am 22. April 2004 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Finanzamt nahm darauf hin den gegenüber H. M. B. ergangenen Haftungsbescheid mit Verfügung vom 13. März 2006 zurück.

Das Steuerstrafverfahren gegen H. J. B. wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das vierte Quartal ...

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