rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Insolvenzverfahren kein Anspruch auf vollständigen Erlass der nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit für Umsatzsteuer als Altmasseverbindlichkeit verwirkten Säumniszuschläge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 InsO und das damit einhergehende Vollstreckungsverbot für eine Altmasseverbindlichkeit nach § 210 InsO ändern nichts an der Fälligkeit der Altmasseverbindlichkeit (hier: einer Umsatzsteuervoranmeldung gem. § 220 Abs. 1 AO i. V. m. § 18 Abs. 1 S. 4 UStG und § 46 Abs. 1 UStDV bzw. § 18 Abs. 4 S. 1 UStG). Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hindert auch für Altmasseverbindlichkeiten nicht das Entstehen von Säumniszuschlägen.

2. Hat das FA bereits die Hälfte der während des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit für eine Altmasseverbindlichkeit verwirkten Säumniszuschläge erlassen, ist es nicht unbillig, die andere Hälfte einzuziehen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Unmöglichkeit zur fristgerechten Zahlung der Abgabenforderung ihren Grund in einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung oder wie im Streitfall im Bestehen eines gesetzlichen Zahlungsverbots nach der InsO hat.

3. Ein vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen kann in Betracht kommen, wenn über die objektive Unmöglichkeit der Zahlung hinaus zusätzliche, besondere Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit gegen die Geltendmachung von Säumniszuschlägen sprechen. Im Insolvenzverfahren kommt ein vollständiger Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht, weil durch den Schutz des Insolvenzverfahrens und der dabei gewährleisteten geordneten Befriedigung aller Gläubiger weder eine (weitergehende) Gefährdung der persönlichen oder wirtschaftlichen Existenz des Insolvenzschuldners noch eine solche der Insolvenzmasse oder gar der Insolvenzverwalterin zu befürchten ist.

 

Normenkette

AO § 227; InsO § 209 Abs. 1, § 208 Abs. 1, § 210; FGO § 102 S. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit verwirkte Säumniszuschläge statt zur Hälfte in voller Höhe zu erlassen sind.

Mit Beschluss des Amtsgerichts D. vom 22.05.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des R. eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am 04.11.2014 zeigte die Klägerin dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an.

Aufgrund einer Dauerfristverlängerung wurde die Umsatzsteuer für das III. Quartal 2014 am 10.11.2014 und die Umsatzsteuer für das IV. Quartal 2014 am 10.02.2015 fällig. Die über die Voranmeldungen hinaus zu entrichtende Steuer wurde aufgrund erstmaliger Festsetzung mit Bescheid vom 25.01.2016 am 29.02.2016 fällig.

Mit geändertem Bescheid für 2014 über Umsatzsteuer vom 16.03.2016 ergingen Zahlungsaufforderungen wegen der verwirkten Säumniszuschläge auf Umsatzsteuer III. Quartal 2014, Umsatzsteuer IV. Quartal 2014 und der aufgrund der Jahresfestsetzung über die Voranmeldungen hinaus zu entrichtenden Umsatzsteuer 2014. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 31.03.2016 Einspruch ein und machte geltend, wegen des mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit einhergehenden Zahlungsverbots für Altmasseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Insolvenzordnung –InsO– könnten keine Säumniszuschläge entstehen. Hilfsweise beantragte sie am 26.04.2016 den Erlass der Säumniszuschläge.

Mit Bescheid vom 01.07.2016 erließ der Beklagte die bis dahin entstandenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer III. Quartal 2014, zur Umsatzsteuer IV. Quartal 2014 und zur gemäß der Jahresfestsetzung über die Voranmeldungen hinaus zu entrichtenden Umsatzsteuer 2014 jeweils zur Hälfte. Dagegen legte die Klägerin am 06.07.2016 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 03.08.2016 als unbegründet zurückwies. Sachlich unbillig sei die Einziehung der Säumniszuschläge nur insoweit, als ihr Zweck als Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuerforderungen aufgrund des Zahlungsverbotes zur Sicherstellung einer § 209 Abs. 1 InsO entsprechenden Befriedigung der Massegläubiger entfallen sei. Weil die Säumniszuschläge darüber hinaus aber auch Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und den damit einhergehenden Verwaltungsaufwand seien, sei für einen über den bereits gewährten Erlass in Höhe von 50 % hinausgehenden Erlass kein Raum. Für eine Billigkeitsmaßnahme aus persönlichen Gründen fehle es an der Erlassbedürftigkeit, weil aufgrund des Vollstreckungsverbotes gemäß § 210 InsO die wirtschaftliche Existenz der Masse nicht bedroht sei.

Am 05.09.2016 hat die Klägerin beim Sächsischen Finanzgericht Prozesskostenhilfe für eine Klage wegen Feststellung, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit keine Säumniszuschläge entstanden sind und hilfsweise wegen Erlass der Säumniszuschläge beantragt, die ihr mit Beschluss vom 13.10.2016 bewilligt worden ist. Daraufhin hat die Klägerin am 21.10.2016 Klage erhoben.

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