Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer

Weder die Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch das übrige Unionsrecht enthält Normen zu steuerlichen Nebenleistungen. Diese gehören vielmehr zum Verfahrensrecht, für das der Grundsatz der Autonomie der Mitgliedstaaten gilt. So entschied das FG Düsseldorf.

Folgender Sachverhalt wurde verhandelt: Zwischen der Klägerin und dem Finanzamt war streitig, ob die Vorschriften über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO gegen Unionsrecht verstoßen.

Festsetzung von Zinsen

In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008–2011 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge geltend, die das Finanzamt zunächst anerkannte, später aber beanstandete und rückgängig machte. Es kam zu Nachzahlungen und der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO. In der Folge reichte die Klägerin im Jahr 2014 korrigierte, den Anforderungen des Finanzamts entsprechende Rechnungen ein. Das Finanzamt gewährte daraufhin den Vorsteuerabzug im Jahr 2014. Erstattungszinsen nach § 233a AO entstanden mangels Beginns des Zinslaufes insoweit nicht. Die nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhobene Klage wegen der Versagung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 2008–2011 hatte Erfolg. Mit den wiederum geänderten Umsatzsteuerbescheiden für diese Jahre setzte das Finanzamt auch Erstattungszinsen nach § 233a AO fest. Zugleich machte das Finanzamt den Vorsteuerabzug im Jahr 2014 wieder rückgängig und setze insoweit Nachzahlungszinsen nach § 233a AO fest. Der Einspruch gegen diesen Zinsbescheid hatte keinen Erfolg.

Zinsfestsetzung und Unionsrecht

Das FG hat die Klage, mit der die Klägerin (erstmals) geltend machte, die Zinsfestsetzung verstoße gegen das Unionsrecht, weil § 233a AO nicht die Umstände des Einzelfalls berücksichtige, insbesondere ob dem Fiskus ein Steuerschaden entstanden sei oder ob ein Mitverschulden des Steuerpflichtigen vorliege, als unbegründet abgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BFH gilt das Neutralitätsprinzip für die Umsatzsteuer, nicht aber für steuerliche Nebenleistungen wie beispielsweise Zinsen. Soweit der EuGH aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität ableitet, dass (auch wenn Art. 183 MwStSystRL weder eine Pflicht zur Zahlung von Zinsen auf den zu erstattenden Vorsteuerüberschuss vorsieht noch angibt, ab wann solche Zinsen zu zahlen wären) die finanziellen Verluste, die dadurch entstehen, dass ein Vorsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen werden, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall der Verzinsung keine Erstattung, sondern eine Nachzahlung zugrunde liegt. Zudem sieht § 233a AO in Verbindung mit § 238 AO nicht nur die Festsetzung von Nachzahlungszinsen, sondern auch von Erstattungszinsen vor. Solche sind im Übrigen für die Klägerin wegen der irrtümlich zurückgeforderten Vorsteuern 2008–2011 auch festgesetzt worden.

Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Verzinsung nach § 233a AO nicht um eine Maßnahme mit Sanktionscharakter, sodass die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an Sanktionen im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar ist.

Nachzahlungszinsen sind unionsrechtskonform

Im konkreten Fall ist die Festsetzung der Nachzahlungszinsen zudem bereits deswegen unionsrechtskonform, weil die von der Klägerin abstrakt gerügten Verstöße gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen den Neutralitätsgrundsatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, im Streitfall nicht vorliegen. Denn der Klägerin ist trotz Festsetzung der Nachzahlungszinsen im Ergebnis kein finanzieller Schaden entstanden, der hätte berücksichtigt werden können. Zwar wurden Nachzahlungszinsen festgesetzt, weil die vom Finanzamt fälschlicherweise in das Jahr 2014 verlagerte Vorsteuererstattung wieder rückgängig gemacht wurde und die Umsatzsteuerfestsetzung damit zum Nachteil der Klägerin geändert worden ist. Auf der anderen Seite wurde jedoch die unberechtigte Versagung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 2008–2011 ebenfalls wieder rückgängig gemacht. Dies führte nicht nur zum Entfallen der insoweit festgesetzten Nachzahlungszinsen, sondern auch zur Festsetzung von Erstattungszinsen auf die unberechtigterweise vorenthaltenen Vorsteuern.

Erlass kann in Betracht kommen

Sofern die Festsetzung von Nachzahlungszinsen im Einzelfall zu einem unbilligen Ergebnis führt, kann auch ein Erlass aus persönlichen oder sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO und § 227 AO in Betracht kommen. § 233a Abs. 8 Satz 4 AO (eingeführt durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 12.7.2022, BGBl 2022 I S. 1142) regelt nunmehr ausdrücklich, dass § 163 AO und § 227 AO auch auf die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO anwendbar sind. Dies war auch bereits vor der gesetzlichen Normierung anerkannt.

FG Düsseldorf Urteil vom 23.06.2023 - 1 K 1869/22 U

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