vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auf Nachzahlungszinsen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: V R 14/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer infolge einer vom FA verschuldeten zeitlichen Verschiebung des Vorsteuerabzugs verstößt mangels Vorliegens einer Maßnahme mit Sanktionscharakter und in Anbetracht der Möglichkeit der Korrektur auf der Ebene einer Billigkeitsentscheidung nicht gegen den unionrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
  2. Das für die Umsatzsteuer geltende Neutralitätsprinzip findet auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen keine Anwendung.
  3. Werden aufgrund des nämlichen Sachverhalts sowohl Nachzahlungszinsen als auch Erstattungszinsen festgesetzt, sind die gegenläufigen Auswirkungen nicht isoliert zu beurteilen.
 

Normenkette

AO §§ 163, 227, 233a, 238 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vorschriften über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO gegen Unionsrecht verstoßen.

Der hier streitigen Zinsfestsetzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war in den hier relevanten Jahren Teil der A , einer global operierenden Unternehmensgruppe im Bereich der Unterhaltungselektronik. In ihrer Funktion als Vertriebsgesellschaft für ...-Geräte bezog die Klägerin ihre Handelsware (Fertigware) ausschließlich bei ihrer Muttergesellschaft, der B und verkaufte die Fertigwaren an Einzel- oder Großhändler im In- und Ausland.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008-2011 machte die Klägerin aus dem Wareneinkauf von der B insgesamt Vorsteuern in Höhe von EUR…geltend:

 Vorsteuer

 2008

…EUR

 2009

…EUR

 2010

…EUR

 2011

…EUR

 Summe

…EUR

Im Mai 2014 begann bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt… Z-Stadt für den Zeitraum 2008 bis 2010.

Im Rahmen dieser Betriebsprüfung beanstandete die zuständige Prüferin die diesen Lieferungen zugrundeliegenden Rechnungen. Die aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen würden nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG, § 31 UStDV genügen. Die Dokumente, in denen die Umsatzsteuer offen ausgewiesen worden sei, enthielten keinen Verweis auf die weiteren Geschäftsunterlagen, die die übrigen, fehlenden Angaben enthielten.

Die B stellte der Klägerin daraufhin im September 2014 korrigierte, den Anforderungen de s FA entsprechende Rechnungen aus, aus denen die Klägerin dann in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 (Eingang beim Finanzamt (FA): 17.09.2015) den Vorsteuerabzug geltend machte. Das FA stimmte der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2014 am 03.11.2015 zu. Dies führte zu einem Umsatzsteuererstattungsbetrag in Höhe von…EUR. Erstattungszinsen nach § 233a AO entstanden mangels Beginns des Zinslaufes insoweit nicht.

Der Vorsteuerabzug in den Jahren 2008-2011 wurde vom FA durch Änderungsbescheide vom 01.09.2015 (2008-2010) bzw. 21.10.2015 (2011) rückgängig gemacht. Es kam zu entsprechenden Nachzahlungen und es wurden Nachzahlungszinsen nach § 233a AO festgesetzt:

 Bescheid vom

 Zinsen

 2008

 01.09.2015

…€

 2009

 01.09.2015

…€

 2010

 01.09.2015

…€

 2011

 21.10.2015

…€

 Summe

…€

Der Vorsteuerüberhang aus 2014 wurde seitens des FA nicht an die Klägerin erstattet, sondern mit der Nachzahlung für 2008-2011 verrechnet.

Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2008-2011 legte die Klägerin Einspruch ein. Den Einspruch gegen die Umsatzsteuer 2008 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22.01.2016 zurück. Die hiergegen unter dem Aktenzeichen 0 K 000 / 00 U erhobene Klage war erfolgreich. Der Senat gab der Klage mit Urteil vom 16.03.2018 statt und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 01.09.2015 dahingehend, dass die Umsatzsteuer um…€ herabgesetzt wurde.

Die ursprünglichen Abrechnungspapiere hätten bereits den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG, § 31 UStDV entsprochen. Die Frage nach einer - mittlerweile aufgrund der EuGH-Rechtsprechung möglichen - Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung stelle sich daher nicht.

Das FA erließ am 26.07.2018 einen entsprechenden Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2008. Aufgrund der präjudiziellen Wirkung für die Folgejahre änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide 2009-2011 ebenfalls entsprechend. Mit Bescheiden vom 26.07.2018 wurde der Vorsteuerabzug wieder gewährt, so dass sich eine Erstattung für 2008-2011 von insgesamt…€ ergab. Gleichzeitig wurde die Festsetzung der Nachzahlungszinsen aufgehoben und es wurden in diesen Bescheiden Erstattungszinsen nach § 233a AO iHv …€ festgesetzt.

Die Zinsen wurden wie folgt berechnet:

 Erstattungsbetrag (abgerundet)

 Zinszeitraum

 Zinssatz

 Zinsbetrag

 2008

…€

 12.11.2015 - 30.07.2018 = 32 volle Monate á 0,5%

 16%

…€

 2009

…€

 12.11.2015 - 30.07.2018

 16%

…€

 2010

…€

 12.11.2015 - 30.07.2018

 16%

…€

 2011

…€

 12.11.2015 - 30.07.2018

 16%

…€

 Summe

…€

Ebenfalls aufgrund des Urteils änderte das FA den Umsatzsteuerbescheid 2014 mit Bescheid vom 11.06.2018 und machte den Vorsteuerabzug (für 2008-2011) wied...

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