Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Gewerbeamt bei erheblichen Abgabenschulden und zeitweiser amtsinterner Niederschlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, mit der das FA die steuerliche Zuverlässigkeit bescheinigt, gesetzlich nicht geregelt sind, ist davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung zusteht, wenn er aufgrund seines Verhaltens als steuerlich zuverlässig anzusehen ist.

2. Das FA muss über einen Antrag auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Dieses Ermessen ist im Sinne einer positiven Entscheidung mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG dann auf Null reduziert, wenn der Steuerpflichtige keine oder jedenfalls keine ins Gewicht fallenden Steuerrückstände hat und seine steuerlichen Verpflichtungen erfüllt.

3. Die Ablehnung der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nicht zu beanstanden, wenn der Steuerpflichtige langjährige, nicht verjährte Steuer- und Haftungsschulden von mehr als einer halben Million Euro hat und zudem auch lange nach dem 31. Mai die Einkommensteuererklärung des Vorjahres immer noch nicht abgegeben hat. Die im Verlauf des jahrelangen Zahlungsverzugs des Steuerpflichtigen hinsichtlich der streitbefangenen Steuerforderungen amtsintern zeitweise verfügte Niederschlagung ändert daran nichts; sie hat keinen Einfluss auf den Bestand, die Fälligkeit oder die Vollstreckbarkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; AO §§ 5, 149 Abs. 2, § 261; FGO § 102 S. 1; EStG § 25 Abs. 3

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Gewerbeamt.

Am 04.02.2016 sprach der Kläger beim Beklagten vor. Er benötige eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Gewerbeamt.

Mit Bescheid vom 15.02.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung ab. Laut einer Rückstandsaufstellung vom 12.02.2016 bestünden aktuelle Steuerrückstände in Höhe von 531.644,42 Euro und daneben Haftungsschulden in Höhe von 20.740,78 Euro. Die Steuerrückstände seien nicht verjährt. Die älteste Forderung (Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer Dezember 1994) sei am 26.05.1995 fällig geworden; die älteste Steuerschuld (Umsatzsteuer Januar 1995) am 25.07.1995. Damit habe die Zahlungsverjährung nicht vor dem 31.12.2000 begonnen. Am 02.07.1998 habe der Vollstreckungsaußendienst die zu diesem Zeitpunkt fälligen Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis in Höhe von 333.858,64 DM beizutreiben versucht. Neben der Aufnahme der wirtschaftlichen Verhältnisse seien einige Sachpfändungen erfolgt. Dadurch sei die Verjährung unterbrochen worden und habe fortan nicht mehr vor Ablauf des 31.12.2003 eintreten können. Am 03.09.2002 und am 22.10.2002 habe der Vollstreckungsaußendienst den Kläger nicht angetroffen und jeweils Zahlungsaufforderungen in Höhe der zu diesen Zeitpunkten fälligen Beträge von 245.721,02 Euro bzw. 248.004,64 Euro im zur Wohnung gehörenden Briefkasten hinterlegt. Der Zugang dieser Zahlungsaufforderungen ergebe sich aus dem daraufhin gestellten Stundungsantrag vom 08.11.2002. Dadurch sei die Verjährung erneut unterbrochen worden, so dass die Forderungen fortan nicht vor Ablauf des 31.12.2007 hätten verjähren können. Am 10.05.2007 habe der Vollstreckungsaußendienst erneut eine Zahlungsaufforderung in Höhe der zu diesem Zeitpunkt fälligen Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis von 339.444,62 Euro hinterlegt. Diese habe der Kläger auch erhalten, da er noch am selben Tag deswegen Dienstaufsichtsbeschwerde und Widerspruch eingelegt habe. Die neuerliche Verjährungsunterbrechung habe dazu geführt, dass Zahlungsverjährung nunmehr frühestens mit Ablauf des 31.12.2012 eintreten habe können. Am 11.11.2010 habe der Vollstreckungsaußendienst die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers in dessen Anwesenheit aufgenommen. Die Rückstände hätten zu diesen Zeitpunkt 525.772,45 Euro betragen. Am 19.01.2015 sei eine am 22.01.2015 zugegangene Vollstreckungsankündigung erfolgt und habe zur neuerlichen Verjährungsunterbrechung geführt.

Dagegen legte der Kläger am 17.03.2016 Einspruch ein. Die Steuerforderungen aus den Jahren vor 2000 seien zwischenzeitlich durch Zahlungsverjährung erloschen. Ausweislich eines aus einer anderweitigen Akte entnommenen Aktenvermerks (ohne Datum) der Sachbearbeiterin B. sei bereits vor langer Zeit die Niederschlagung aller Steuerforderungen, die vor dem Veranlagungszeitraum 1997 entstanden seien, erfolgt. Dies weise nach, dass seither keine Vollstreckungsbemühungen erfolgt seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Derzeit bestünden Steuerrückstände in Höhe von 525.170,14 Euro. Die Behauptung, die ...

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