Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung an, wenn der angefochtene Bescheid im Verlaufe des Gerichtsverfahrens etwa durch ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rechtmäßig wird.

2. Der Bescheid über die Bewilligung einer Investitionszulage, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann, erledigt sich mit der Verfahrenseröffnung auf andere Weise. Im Verfahren der Rückforderung gegenüber dem Zessionar ist inzident zu prüfen, ob der Zedent materiell-rechtlich einen Anspruch auf den Zulagebetrag hatte.

3. Die Feststellung des Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenztabelle muss auch der Zessionar gegen sich gelten lassen.

 

Normenkette

§ 218 Abs. 1, § 251 Abs. 2 und Abs. 3 AO, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, § 175 Abs. 1 und Abs. 2 AO, § 13, § 14, § 174, §§ 178ff. InsO

 

Sachverhalt

Einer GmbH war eine Investitionszulage bewilligt worden; sie hatte einen Teilbetrag daraus an einen Dritten abgetreten. Auf die entsprechende Abtretungsanzeige hin überwies das FA diesem den betreffenden Betrag. Als ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wurde, wollte das FA die Zulage zurück, weil die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht mehr vorlagen. Es meldete deshalb die Rückforderung des Zulagebetrags zur Insolvenztabelle an. Gleichzeitig forderte es von dem Zessionar den an ihn ausgezahlten Betrag.

Der Insolvenzverwalter und ein Insolvenzgläubiger bestritten die Forderung, sodass das FA einen Feststellungsbescheid über den angemeldeten Investitionszulagebetrag erließ. Dieser wurde bestandskräftig.

Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 15.6.2011, 6 K 211/11, Haufe-Index 2712244) hat jedoch den Rückforderungsbescheid auf Klage des Dritten aufgehoben. Es war der Meinung, der Rechtsgrund für die Zahlung der Investitionszulage sei in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über den angefochtenen Verwaltungsakt noch nicht weggefallen gewesen. Sowohl der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter als auch die Eintragung des Forderungsbetrages zur Tabelle seien nach Erlass der Einspruchsentscheidung zum streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid erfolgt; sie seien schon deshalb für die Beurteilung des Streitfalls ohne Belang.

 

Entscheidung

Der BFH hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung an. Das gilt auch, wenn der angefochtene Bescheid während des Gerichtsverfahrens etwa durch ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rechtmäßig wird.

2. Können bei einer Investitionszulage die Verbleibensvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, tritt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein; es ist ein Rückforderungsbescheid zu erlassen. Fallen die Verbleibensvoraussetzungen jedoch wie hier erst im Insolvenzverfahren weg, scheidet der Erlass eines Rückforderungsbescheids aus (§ 87 InsO, § 251 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Finanzamt (FA) kann durch Bescheid nicht einmal die Gewährung der Investitionszulage rückgängig machen, und zwar unbeschadet dessen, dass ein diesbezüglicher Bescheid nicht unmittelbar auf seine Befriedigung gerichtet wäre, sondern diese nur vorbereitete (vgl. BFH-Urteile vom 10.12.2008, I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 und vom 18.12.2002, I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630). Das FA muss seinen Rückforderungsanspruch zur Insolvenztabelle anmelden. Es kann dies tun, weil sich der Investitionszulagebescheid in einem solchen Fall allein aufgrund des materiell-rechtlichen Wegfalls des Investitionszulageanspruchs erledigt. Über das Investitionszulage-Rechtsverhältnis kann nicht mehr durch Bescheid des FA entschieden werden, sodass die materielle Rechtslage durch Anmeldung zur Insolvenztabelle unmittelbar zur Geltung kommt.

Zugleich fällt folglich aber auch der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zulage auf Seiten des Zessionars weg! Denn die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretene Rechtslage – Erledigung des Investitionszulagebescheids auf andere Weise – muss ein Zessionar des Anspruchs gegen sich gelten lassen.

Ob das FA die Rückforderung im Insolvenzverfahren des Zedenten geltend macht und ob diese in die Insolvenztabelle eingetragen wurde, ist dabei belanglos!

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.4.2013 – VII R 44/12

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