Rz. 272

Die für die Flächenmodelle bestehenden verfassungsrechtlichen Risiken (Rz. 62-66), insbesondere der fehlende Begründungszusammenhang zwischen Belastungsgrund und Bemessungsgrundlage (Rz. 63) sowie die Willkürlichkeit der Äquivalenzzahlen (Rz. 64), gelten auch für das auf dem reinen Flächenmodell aufbauende niedersächsische "Flächen-Lage-Modell".

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Risiken des Lagefaktors nach § 5 NGrStG wird analog auf die Ausführungen zum Lagefaktor im hessischen "Flächen-Faktor-Verfahren" verwiesen (Rz. 216).

 

Rz. 273

Zur Ermittlung des Lagefaktors wird gem. § 5 Abs. 1 NGrStG der maßgebliche Bodenrichtwert für das zu betroffene Grundstück (§ 5 Abs. 2 NGrStG) ins Verhältnis zum Durchschnittsbodenwert der Gemeinde (§ 5 Abs. 3 NGrStG) gesetzt und auf dieses Verhältnis ein Exponent von 0,3 angewendet (Rz. 250).

Nach § 5 Abs. 3 S. 2-4 NGrStG ermittelt sich der Durchschnittsbodenwert aus dem auf volle EUR abgerundeten Median aller in der jeweiligen Gemeinde liegenden Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB i. V. m. Anlage 5 der ImmoWertV für Wohnbauflächen, gewerbliche Bauflächen, gemischte Bauflächen, Sonderbauflächen und Bauflächen für Gemeinbedarf (Rz. 253). Die Bildung des Durchschnittsbodenwerts über alle Nutzungen hinweg (§ 5 Abs. 3 S. 5 NGrStG) vergleicht "Äpfel mit Birnen" bzw. ignoriert signifikante werthaltige Unterschiede der einzelnen Grundstücksteilmärkte. Der bloßen – nicht flächengewichteten – Bildung des Medians aus allen Bodenrichtwerten der Gemeinde haftet zudem ein gewisse Zufälligkeit an.

Die Aufgabe zur Ermittlung des Durchschnittsbodenwerts für Zwecke der Grundsteuer wurde nach § 5 Abs. 3 S. 7 NGrStG den Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse zugewiesen. Der Landesgesetzgeber hat sich bei dieser Aufgabenzuweisung auf die Regelungskompetenz nach § 199 Abs. 2 Nr. 3 BauGB gestützt, wonach die Landesregierung ermächtigt ist, durch Rechtsverordnung die Einrichtung und Aufgaben der Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse zu regeln. Soweit sich die Landesgesetzgeber im Rahmen der Vorgaben der bundesgesetzlichen Ermächtigung bewegen, wurde ein "Rechtsformentausch" für möglich erachtet.[1]

Es ist zweifelhaft, ob der Landesgesetzgeber diese Regelungskompetenz hat. Der Bundesgesetzgeber könnte von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG durch die Regelungen zu den Gutachterausschüssen in § 192 ff. BauGB abschließend Gebrauch gemacht haben, sodass den Ländern eine eigenständige Regelung in dieser Sachmaterie verwehrt sein könnte. Nach § 199 Abs. 2 Nr. 3 BauGB sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Aufgaben der Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse zu regeln. Das NGrStG ist aber ein Gesetz, das vom Landesgesetzgeber erlassen wurde. Der niedersächsische Gesetzgeber ist auch nicht der Gesetzgeber, der die vorstehend genannte Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsverordnung erlassen hat.[2]

 

Rz. 274-279

Einstweilen frei

[1] Nds. LT-Drs. 18/9632 v. 14.4.2021, Ergänzender Schriftlicher Bericht zum Gesetzentwurf, 20.
[2] So auch Bock/Lapp in Grootens, GrStG, 2. Auflage, zu § 5 NGrStG, Rz. 30, und zu § 7 HGrStG, Rz. 17.

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