Gutgläubigkeit und Beseitigung der Steuergefährdung: Gemäß den einschlägigen Entscheidungen des EuGH hat jeder Steuerpflichtige das Recht, Steuern, die er deswegen schuldet, weil er seinen Kunden entsprechende Beträge (gesondert ausgewiesen) in Rechnung gestellt hat, zu korrigieren, wenn er seinen guten Glauben bei der Ausstellung der Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis nachweist bzw., unabhängig davon, ob er gutgläubig war oder nicht, die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat ("Steuerkorrekturverfahren"). Bei der Entscheidung über diese Ansprüche des Steuerpflichtigen steht der Finanzbehörde kein Ermessen zu.[51]

§ 14c UStG regelt nur den Fall der Gefährdung des Steueraufkommens ...: Das deutsche Gesetz regelt in § 14c Abs. 1 und Abs. 2 UStG allein den zweiten Fall, wobei es im Fall des § 14c Abs. 1 UStG davon ausgeht, dass die Gefährdung des Steueraufkommens mit der Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger beseitigt ist. Das ist unionsrechtlich zulässig, "da sowohl eine berichtigte Rechnung als auch eine Gutschrift dem Dienstleistungsempfänger klar anzeigen, dass [...] keine Mehrwertsteuer geschuldet wird und der Empfänger daher insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist." Daher könne mit einer solchen Bedingung grundsätzlich sichergestellt werden, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist.[52]

... nicht aber der Gutgläubigkeit: Den ersten Fall (der Gutgläubigkeit) regelt das deutsche Gesetz nicht. Bei Gutgläubigkeit ist eine Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens nicht erforderlich. Der Rechnungsaussteller darf seine Steuerschuld berichtigen (d.h. korrigierte Erklärungen abgeben), wenn er seinen guten Glauben nachweisen kann.[53]

Keine Aussage zum "Rückzahlungserfordernis": Ob die Rückzahlung der Beträge, die der Leistende vom Finanzamt erhält, an den Leistungsempfänger Voraussetzung für die Steuerberichtigung durch den Leistenden ist, regelt § 14c UStG nicht.[54]

[51] EuGH v. 13.12.1989 – C-342/87, Genius Holding, UR 1991, 83 Rz. 18; EuGH v. 19.9.2000 – C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel, UR 2000, 470 Rz. 56 ff.; EuGH v. 6.11.2003 – C-78/02, C-79/02, C-80/02 – Elliniko Dimosio/Maria Karageorgou, Katina Petrova, Loukas Vlachos, UR 2003, 595 Rz. 50 ff.; EuGH v. 18.6.2009 – C-566/07, Stadeco, UR 2009, 647 Rz. 36 f.
[52] S. EuGH v. 18.6.2009 – C-566/07, Stadeco, UR 2009, 647 Rz. 42. Die Anforderung, die Rechnung zu korrigieren, ist allerdings nicht zulässig, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist, weil dem Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug bereits endgültig versagt wurde; EuGH v. 11.4.2013 – C-138/12 – Rusedespred OOD, UR 2013, 432 Rz. 33 ff. Steht dem Leistungsempfänger per se kein Vorsteuerabzug zu, stellt sich bereits die Frage, ob Steuer gem. § 14c UStG überhaupt entsteht; vgl. Vorlagebeschluss des öst. BFG v. 21.6.2021 – RE/7100001/2021, P-GmbH; Az. EuGH: C-378/21.
[53] Zur unvollständigen bzw. unionsrechtswidrigen Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung s. Streit, Steuerschuld durch Steuerausweis, Hamburg 2017, S. 157 ff., 241 ff. Vgl. auch von Streit/Streit, MwStR 2022, S. 567 (571). Zur (unionsrechtswidrigen) Unterscheidung zwischen "unrichtigem" und "unberechtigtem" Steuerausweis vgl. Sölch/Ringleb/Leipold, 95. EL Juni 2022, § 14c UStG Rz. 18.
[54] S. unten IV.3.

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