[Ohne Titel]

StB Dipl.-Fw. Karl Heinz Günther[*]

[*] Der Verfasser ist Steuerberater in Übach-Palenberg und war als Regierungsdirektor a.D. stellvertretender Vorsteher bei einem Finanzamt.

I. Einleitung

Erlässt das FA einen Steuerbescheid, führt ein hiergegen eingelegter Einspruch dazu, dass der Steuerfall für beide Seiten in vollem Umfang offen ist:

  • der Steuerpflichtige kann im Einspruchsverfahren Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung ohne Einschränkungen vorbringen,
  • das FA ist nach § 367 Abs. 2 AO zur Gesamtüberprüfung des Steuerfalles berechtigt.

Anders ist dies dagegen, wenn das FA einen Änderungsbescheid erlässt, nachdem zuvor ein endgültiger, d.h. nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid erlassen wurde. Hier kann der Steuerpflichtige den Änderungsbescheid im Einspruchswege nur anfechten, soweit die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO). Korrespondierend hierzu ist die Fallüberprüfung durch das FA ebenfalls darauf beschränkt, soweit die Änderung reicht. Diese Anfechtungs- bzw. Änderungsbegrenzung kann nur durchbrochen werden, sofern für die konkrete Änderung eine gesonderte Änderungsnorm (§§ 129, 172 ff. AO) greift. Der nachfolgende Praxisfall macht die Praxisrelevanz der Regelung deutlich.

II. Sachverhalt

Freiberufler A ist als Kommanditist an der B-KG und an der C-KG beteiligt. In seiner Einkommensteuererklärung 2014, die er im Juni 2015 abgegeben hat, erklärte er den Gewinnanteil an der B-KG mit 20.000 EUR und den Gewinnanteil an der C-KG mit 30.000 EUR. Das FA veranlagte erklärungsgemäß. Bei Durchführung der Veranlagung lagen dem FA ESt4B-Mitteilungen über einen Gewinnanteil an der B-KG i.H.v. 20.000 EUR und einen Gewinnanteil an der C – KG i.H.v. 35.000 EUR vor.

In 2017 wurde bei der B-KG eine Außenprüfung durchgeführt, die am 12.1.2019 zum Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheides für 2014 führte, nach dem auf B ein Gewinnanteil i.H.v. 50.000 EUR entfällt. Das für A zuständige Wohnsitz-FA wertete die ESt4B-Mitteilung aus und erließ im Dezember 2020 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014. Hiergegen legte A fristgerecht Einspruch ein und machte bezüglich eines Vermietungsobjekts zusätzliche sofort abzugsfähige Instandsetzungskosten i.H.v. 10.000 EUR geltend, die er bei Anfertigung der Einkommensteuererklärung 2014 vergessen hatte, in Ansatz zu bringen.

III. Rechtliche Lösung

1. Zu welchem Ergebnis wird die Einspruchsbearbeitung des Wohnsitzfinanzamtes führen?

Das für A zuständige Wohnsitz-FA hat innerhalb der Ablaufhemmung (Zweijahresfrist) des § 171 Abs. 10 AO den Folgebescheid (Einkommensteuerbescheid 2014) an den geänderten Grundlagenbescheid bezüglich der Beteiligung an der B-KG zutreffend nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO angepasst und damit die erforderliche Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 AO) hergestellt.

Der fristgerecht eingelegte Einspruch des A betrifft einen Änderungsbescheid, der von ihm nur soweit angefochten werden kann, wie die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO). Aber auch das FA ist im Rahmen der Gesamtüberprüfung des Einspruchs (§ 367 Abs. 2 AO) an diesen Rahmen (soweit die Änderung reicht) gebunden. Will es über diesen Rahmen hinausgehen, bedarf es hierzu einer gesonderten Änderungsnorm.

Da sich der Gewinnanteil des A an der B-KG um 30.000 EUR erhöht hat, kann A gegenläufige Instandsetzungsaufwendungen i.H.v. 10.000 EUR steuermindernd geltend machen. Aber auch das FA ist berechtigt, gegenläufige Rechtsfehler zu berücksichtigen. Denn bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2014 in 2015 war bezüglich des Gewinnanteils an der C-KG der an sich erforderliche Ansatz von 35.000 EUR laut ESt4B-Mitteilung unterblieben. Die diesbezüglich erforderliche Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO kann zwar nicht mehr nachgeholt werden, da die reguläre Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2014 am 31.12.2019 abgelaufen ist und die Ablaufhemmungen nach § 171 Abs. 2 AO (falls die seinerzeitige Nichtauswertung als offenbare Unrichtigkeit anzusehen wäre) und § 171 Abs. 10 AO (zwei Jahre nach Erlass des Grundlagenbescheids in 2015) nicht mehr greifen.

Der bisher unberücksichtigt gebliebene Gewinnanteil i.H.v. 5.000 EUR und die nachträglich geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen i.H.v. 10.000 EUR stellen jedoch Rechtsfehler dar, die im Ergebnis zu einer Minderung des zu versteuernden Einkommens i.H.v. 5.000 EUR führen und im Rahmen der Einspruchsbearbeitung den um 30.000 EUR erhöhten Gewinnanteil wieder mindern (soweit die Änderung reicht), so dass sich das zu versteuernde Einkommen um 25.000 EUR erhöht.

2. Welche Änderungen würden sich ergeben, wenn A den Einspruch verspätet eingelegt hätte?

Wenn A den Einspruch verspätet eingelegt hätte, wäre dieser als unzulässig zu verwerfen und es würde bei der Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO durch Ansatz des geänderten Gewinnanteils i.H.v. 50.000 EUR verbleiben.

Die von A geltend gemachten Instandsetzungsaufwendungen waren dem FA bei Durchführung der Bescheidänderung zwar nicht bekannt, sie berechtigen jedoch außerhalb des Einspruchsverfahrens schon deshalb zu keiner Bescheidänderung, da die reguläre Festsetzungsfrist zur Einkommensteuer 2014 am 31.12.2019 bereits abgelaufen ist. Im Übrigen würde auch keine Änderungsnorm...

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