Leitsatz

1. Im Rahmen des Konzepts einer "übertragenden Sanierung" kann eine Gesellschaft (Auffanggesellschaft) umsatzsteuerrechtlich bereits zu einem Zeitpunkt in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, zu dem sie selbst noch keine Umsätze ausführt.

2. In diesem Fall steht der Auffanggesellschaft kein Vorsteuerabzug aus der Übertragung von Gegenständen des Betriebsvermögens des Organträgers auf sie zu.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG , § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG

 

Sachverhalt

Entsprechend dem Konzept der "übertragenden Sanierung" des im Vergleichsverfahren der E-GmbH vorläufig bestellten Vergleichsverwalters erwarb die E-GmbH sämtliche Geschäftsanteile der im Weg der Vorratsgründung entstandenen B-GmbH (Klägerin) und veräußerte dieser anschließend einen Teil ihres Betriebsvermögens (das zum Vertrieb notwendige bewegliche Anlage- und Umlaufvermögen einschließlich der immateriellen Wirtschaftsgüter). Beide Parteien wurden bei Vertragsschluss durch dieselben Geschäftsführer vertreten.

Nach Übergabe der veräußerten Wirtschaftsgüter, am 1.6.1992, wurde über das Vermögen der E-GmbH der Konkurs eröffnet. Erst danach begann die "Vertriebsgesellschaft", die Klägerin, mit dem Vertrieb der von der E-GmbH hergestellten Waren.

Das FA ließ die Vorsteuer aus der Rechnung über den Kaufpreis für die übertragenen Gegenstände des Betriebsvermögens nicht zum Abzug zu. Das FG meinte dagegen, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe der Gegenstände des Betriebsvermögens sei die Klägerin noch selbstständig gewesen. Es fehle die organisatorische Eingliederung, weil mangels einer laufenden Geschäftsführung bei der Klägerin bis zur Konkurseröffnung (1.6. 1992) der in der E-GmbH maßgebliche Vergleichsverwalter überhaupt keine entsprechenden Weisungen hätte erteilen können.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FA. Wesentlich für die Tätigkeit aller für die Klägerin und für die Handelnden sei es, in Abstimmung mit den Gläubigern und anderen Interessenvertretern das vom Vergleichsverwalter verfolgte Konzept der übertragenden Sanierung durchzusetzen, in das auch die Übertragung der Gegenstände des Betriebsvermögens der E-GmbH auf die Klägerin eingebettet war: In beiden Gesellschaften waren dieselben Geschäftsführer tätig, die Anstellungsverträge nur mit der E-GmbH hatten.

Dass die Klägerin erst nach Konkurseröffnung über das Vermögen der E-GmbH, der das Ende der Organschaft bedeutet, mit ihrer Tätigkeit begonnen hatte, hielt der BFH für unerheblich.

 

Hinweis

Umsätze zwischen Organträger und Organgesellschaft sind Innenumsätze, die auch bei gesonderter In-Rechnung-Stellung der Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug rechtfertigen.

Mit dem Konzept der "übertragenden Sanierung" wird der lebensfähige Teil des gefährdeten Unternehmens ausgegliedert. Die "Vertriebs-GmbH" erhält die ihr für die Veräußerung der Wirtschaftsgüter in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer zurück. Wird nach Veräußerung über das Vermögen der veräußernden "Produktions-Gesellschaft" der Konkurs eröffnet, hat die vom Erwerber bezahlte Umsatzsteuer die Masse erhöht, die entsprechende Umsatzsteuerforderung ist nur mit der Konkursquote zu bedienen.

Liegen im Zeitpunkt der Übertragung der veräußerten Wirtschaftsgüter die Voraussetzungen einer Organschaft vor, ist das Konzept umsatzsteuerrechtlich uninteressant. Die Übertragung ist umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung; die Vorsteuer ist nicht abziehbar.

Die finanzielle Eingliederung liegt in diesen Fällen typischerweise vor. Für die wirtschaftliche Eingliederung ist charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Organgesellschaft die Funktion einer Vertriebsabteilung erfüllt. Es genügen schon Vorbereitungshandlungen für die spätere dienende (Vertriebs-) Tätigkeit wie z.B. der Erwerb des entsprechenden Betriebsvermögens. Darin liegt bereits der Beginn der wirtschaftlichen Eingliederung.

Unerheblich ist, ob ein Teil der Geschäftstätigkeit des Organträgers nicht ein-, sondern ausgegliedert werden sollte, um einen Teil ihres Vermögens dem Konkursbeschlag zu entziehen. Ausreichend ist Personenidentität in den Leistungsgremien von Organträger und Organgesellschaft, die nicht vollständig zu sein braucht, weil das Merkmal der Personenidentität nicht zwingend ist. Gerade das Merkmal der organisatorischen Eingliederung ist (nur) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zu beurteilen und muss deshalb nicht voll ausgeprägt sein. Es gibt kein Wahlrecht, von den Regeln der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Gebrauch zu machen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.1.2002, V R 37/00

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