Leitsatz (amtlich)

›1. Auf Honorarvereinbarungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BRAGO sind die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit eines Austauschvertrages, nach denen ein grobes Mißverhältnis im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB schon vorliegen kann, wenn die vereinbarte Vergütung den Wert der zu erbringenden Gegenleistung um mehr als 100 % übersteigt (z.B. BGH, NJW 1992, 899), mit Rücksicht auf die Regelung des § 3 Abs. 3 BRAGO, nach der ein vereinbartes unangemessen hohes Honorar im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden kann, nicht anwendbar.

2. Eine Herabsetzung des vereinbarten Honorars gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 BRAGO ist nur zulässig, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar wäre, den Auftraggeber an sein Honorarversprechen festzuhalten. Die nach § 3 Abs. 1 BRAGO vereinbarte Vergütung ist im allgemeinen nicht als unangemessen hoch anzusehen, wenn sie die gesetzlichen Gebühren um das Fünf- oder Sechsfache übersteigt.

3. Das Gericht hat ein Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer nach § 3 Abs. 3 S. 2 BRAGO nur einzuholen, wenn es die Herabsetzung des vereinbarten Honorars nach S. 1 dieser Bestimmung beabsichtigt.‹

 

Tatbestand

Im September 1992 kam zwischen dem Beklagten und der Gemeinde G. ein Ingenieurvertrag über die Planung eines Kreuzungsbauwerks zustande. Anfang Oktober 1992 wurde dieser Vertrag von seiten der Gemeinde gekündigt. Mit der Durchsetzung des ihm gegen die Gemeinde G. zustehenden und nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB unter Berücksichtigung der infolge der Vertragsaufhebung ersparten Aufwendungen auf - abgerundet - 1,8 Mio. DM bezifferten Vergütungsanspruchs beauftragte der Beklagte den Kläger, der daraufhin für den Beklagten das Mahnverfahren durchgeführt und am 5. Juli 1993 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Gemeinde G. erwirkt hat. Aus diesem Vollstreckungsbescheid hat der Kläger im Auftrag des Beklagten die Zwangsvollstreckung betrieben und einschließlich Zinsen und Kosten einen Betrag von 1.950.217,50 DM beigetrieben.

Am 12. August 1993 trafen der Kläger und der Beklagte, dieser unter der Bezeichnung "Ing.Gesellsch.U.", eine Vereinbarung, die folgenden Wortlauf hat:

"In der Streitsache G./U. ist die Pfändung bei der Gemeinde G. erfolgt und die Forderung von 1,8 Mill. DM + 130.400,00 DM Zinsen, einschl. der erfordl. Gerichtsgebühren auf das Girokonto E. von Herrn H. G. eingegangen.

Für die Leistungen des R.A. wird folgendes Honorar neben der gesetzl. Gebühren gezahlt (lt. § 52 Richtl. R.A. zur BRAGO).

1. 70.000,- DM sofort, einbehalten auf Kto. R.A.

2. Weitere 70.000,- DM zuzügl. Zinsen werden nach entgültigem Abschluß des Rechtsstreites U V A S/G. fällig.

Der Betrag zu 2. wird auf ein gemeinsames Konto jetzt eingezahlt."

Im Streitverfahren vor dem Landgericht Dessau, an das die Sache auf den Einspruch der Gemeinde G. gegen den Vollstreckungsbescheid abgegeben worden war, hat am 9. Mai 1995 die mündliche Verhandlung stattgefunden, an der für den Beklagten neben dessen Prozeßbevollmächtigten auch der als Korrespondenzanwalt eingeschaltete Kläger teilgenommen hat. Nach dem in diesem Termin abgeschlossenen und nach Ablauf der Widerrufsfrist am 31. Mai 1995 wirksam gewordenen Prozeßvergleich hatte der Beklagte an die Gemeinde G. 261.006,10 DM zurückzuzahlen.

Wie unter dem 12. August 1993 vereinbart, hatte der Kläger von den für den Beklagten im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid beigetriebenen 1.950.217,50 DM einen Betrag von 70.000,-- DM einbehalten. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger, der die ihm als Mahn- und Korrespondenzanwalt des Beklagten gebührende gesetzliche Vergütung sowie die im Zwangsvollstreckungsverfahren angefallenen Kosten in seiner Kostennote vom 16. November 1995 mit insgesamt 40.790,38 DM berechnet und die daraus noch offenstehenden 4.072,88 DM in dem Rechtsstreit 9 O 182/96 LG Aachen eingeklagt hat, die zweite und letzte Rate im Betrage von 70.000,-- DM des auf insgesamt 140.000,-- DM vereinbarten Zusatzhonorars gegen den Beklagten geltend. Darüber hinaus hat der Kläger den Beklagten auf Ersatz der Mehrwertsteuer in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, die Mehrwertsteuer zusätzlich zu der unter dem 12. August 1993 als Sonderhonorar vereinbarten Vergütung von 2 x 70.000,-- DM verlangen zu können und vor dem Landgericht beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn

1. 70.000,-- DM zuzüglich 10.500,-- DM Mehrwertsteuer nebst 6,25 % Zinsen seit dem 13. August 1993 zu zahlen,

2. weitere 10.500,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. August 1996 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, daß die Honorarvereinbarung gegen § 52 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts verstoße und deshalb unwirksam sei.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 6. Dezember 1996 in Höhe von 91.000,-- DM nebst 6,25 % Zinsen aus 70.000,-- DM seit dem ...

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