Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 129 AO oder § 173a AO aufgrund eines vermeintlichen Tippfehlers

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die durch den Steuerpflichtigen unterlassene Überprüfung einer im authentifizierten Verfahren an die Finanzbehörde übermittelten Steuererklärung kann ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen. Gleiches gilt für die unterbliebene Prüfung eines geänderten Steuerbescheides.
  2. Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO scheidet aus, wenn sich diese nicht aus der Steuererklärung selbst, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergibt, sondern auf Akten der Vorjahre zurückgegriffen werden muss.
  3. Die versehentlich erfolgte, fehlerhafte Auswahl von Steuerdaten, die in einem Ordner auf dem Computer des Steuerpflichtigen gespeicherten sind, stellt keinen Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 173a AO dar.
 

Normenkette

AO §§ 129, 153, 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, §§ 173a, 355 Abs. 1, § 365 Abs. 3 S. 1, § 367 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.07.2023; Aktenzeichen IX R 17/22)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 vor dem Hintergrund eines den Klägern im Zusammenhang mit der Übersendung der Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 unterlaufenen Versehens möglich ist.

Die Kläger, die als Eheleute im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, sind als Angestellte nichtselbständig tätig und erzielten im Streitjahr Einkünfte gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ferner erzielten sie geringe Kapitalerträge. Der Kläger vereinnahmte darüber hinaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Mietobjekte.

Am 28. August 2019 übermittelten die Kläger dem Beklagten ihre komprimierte Steuererklärung des Streitjahres auf elektronischem Wege. Hierin erklärten sie u.a. folgende Besteuerungsgrundlagen:

Bruttoarbeitslohn des Ehemannes in Höhe von …. € und der Ehefrau in Höhe von ….. €. Diese Beträge entsprachen den von den Arbeitgebern auf elektronischem Weg übermittelten Daten.

Ferner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Ehemannes in Höhe von …. € (…), …. € (….) und …. € (….).

Im Nachgang zu ihrer Erklärung übersandten die Kläger am 3. September 2019 eine Bescheinigung X-Bank zur Anlage KAP. Da der Beklagte zu diesem Zeitpunkt einen Eingang der Einkommensteuererklärung des Streitjahres nicht feststellen konnte, forderte er die Kläger mit Schreiben vom 20. September 2019 auf, ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 umgehend elektronisch oder – sofern zulässig – nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck in Papierform einzureichen.

Am 24. September 2019 brachten die Kläger in einer per E-Mail übersandten Nachricht ihre Verwunderung über die Anforderung vom 20. September 2019 zum Ausdruck, da sie ihre Steuererklärung 2018 bereits am 28. August 2019 „erfolgreich” an das Finanzamt übermittelt hätten. Die verspätete Abgabe sei dem Beklagten auch per E-Mail vom 11. Juli 2019 angekündigt worden. In einer Antwortmail vom 26. September 2019 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass diese für ihre Einkommensteuererklärung das komprimierte Verfahren gewählt hätten. Hierzu sei es notwendig, zum übertragenen Datensatz die Papierausfertigung mit Unterschrift zu versenden und zusätzlich beim Finanzamt einzureichen. Falls dieses noch nicht geschehen sei, wurden die Kläger gebeten, dies nachzuholen. Daraufhin reichten die Kläger ihre unterschriebene und mit einer Telenummer versehene komprimierte Einkommensteuererklärung 2018 – unter Hinweis auf die bereits am 28. August 2019 mit Elster-Formular elektronisch übermittelten Steuerdaten – noch am gleichen Tag beim Beklagten ein. Die Einkommensteuererklärung wurde durch den Beklagten sodann am 30. September 2019 zur Bearbeitung freigeschaltet.

Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres antragsgemäß durch und erließ am 23. Oktober 2019 einen Einkommensteuerbescheid 2018, in welchem er die Einkommensteuer 2018 unter Hinweis auf ein zu erstattendes Guthaben in Höhe von …. € auf …. € festsetzte. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief zur Post gegeben.

Am 25. Oktober 2019 übermittelten die Kläger eine weitere Einkommensteuererklärung 2018 im authentifizierten Verfahren. Abweichend von der am 28. August 2019 eingereichten Steuererklärung erklärten die Kläger hierin folgende Besteuerungsgrundlagen:

Bruttoarbeitslohn

EM

…. €

EF

…. €

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

EM

….

…. €

…..

…. €

…..

…. €

sowie Aufwendungen (Schulgeld) für das Kind …. für den Besuch einer Privatschule in Höhe von …. €. Ferner wichen die erklärten Vorsorgeaufwendungen und die Kapitalerträge geringfügig von den am 28. August 2019 übermittelten Daten ab.

Der Beklagte sah hierin eine berichtigte Einkommensteuererklärung und änderte den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 de...

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