Entscheidungsstichwort (Thema)

Einspruch gegen (unwirksamen) Steuerbescheid betr. gelöschte GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für steuerliche Zwecke wird eine Körperschaft (hier: GmbH) als fortbestehend betrachtet, wenn noch steuerliche Pflichten zu erfüllen sind. Aktive oder passive Verfahrenshandlungen – wie die Entgegennahme eines Steuerbescheids – kann die GmbH nicht mehr vornehmen.
  2. Soll nach Löschung der Körperschaft noch eine Verfahrenshandlung vorgenommen werden, muss zuvor ein Nachtragsliquidator als gesetzlicher Vertreter bestellt werden.
  3. Der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegende Mangel, der die Unwirksamkeit des Bescheides bewirkt, kann durch fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt werden mit der Folge, dass der ursprüngliche - unwirksame - Verwaltungsakt in Gestalt der wirksamen Einspruchsentscheidung auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden kann. Die Frage, ob und in welche Höhe Steuer verkürzt ist, beantwortet sich nach dem Vergleich der tatsächlich festgesetzten und materiell-rechtlich zutreffenden Steuer.
  4. Gem. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO kann bei nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzter Steuer eine Steuerverkürzung auch dann angenommen werden, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können (sog. Kompensationsverbot).
 

Normenkette

FGO § 57 Nr. 2, § 44 Abs. 2; AO § 169 Abs. 2, § 370

 

Streitjahr(e)

1987

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.02.2006; Aktenzeichen I B 38/05)

 

Tatbestand

(gekürzt)

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einspruchsbescheids, hilfsweise die Einhaltung der Festsetzungsverjährungsfrist und damit zusammenhängend das Vorliegen einer Steuerhinterziehung sowie um die Höhe der nach materiellem Recht festzusetzenden Steuer. Es geht um die steuerliche Beurteilung einer Zahlung an N, von dem ein Teilbetrag in den Familienverband des früheren Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin, AX, zurückgelangt ist. Die Beteiligten sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob Zinsen als Betriebsausgaben anzuerkennen sind oder ob der fragliche Vorgang zu dem Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bzw. einer anderen Ausschüttung zugunsten von AX oder BX führt.

1. Die Klägerin betrieb ursprünglich einen Z-Betrieb. Gesellschafter waren die Eheleute AX und BX mit je 10.000 DM und…mit 5.000 DM Anteil am Stammkapital. Alleiniger Geschäftsführer war AX.

Seit 1974 arbeitete die Klägerin mit N in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und unterhielt deshalb fortlaufende Geschäftsbeziehungen, aus der 1975 eine Forderung des N gegen die Klägerin resultierte. In den Jahren 1973/74 erwirtschaftete die Klägerin hohe Verluste, die ihrer Auffassung nach aus geschäftsschädigenden Handlungen der V herrührten. Der Geschäftsbetrieb wurde nach Angaben der Klägerin mittels Gesellschafterdarlehen, u.a. von der Mitgesellschafterin und Ehefrau des Gesellschafter-Geschäftsführers BX, aufrecht erhalten.

2. Im Mai 1974 begann ein Rechtsstreit gegen V vor dem Landgericht .... Die Klägerin begehrte mit am 16. Mai 1974, 24. September 1974 und 30. Januar 1987 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen bezifferten Schadensersatz. Mit Verträgen vom 23. September 1974 trat die Klägerin ihren geltend gemachten Schadensersatzanspruch mehrfach ab, und zwar an BX, an die Fa. ..., an die Fa.…und an die Bank .... In dem Abtretungsvertrag zwischen der Klägerin und BX heißt es unter Hinweis auf den beim Landgericht anhängigen Schadensersatzprozess u.a., die Entschädigungsforderung werde erst- und vorrangig an BX abgetreten; durch die Abtretung würden alle Ansprüche an Kapital, Zinsen, Provisionen und Kosten jeder Art gesichert, die BX gegen die Klägerin zustünden oder zukünftig zustehen würden. In der Folgezeit wurde der Schadensersatzanspruch mehrfach gepfändet. Der Rechtsstreit wurde im Jahre 1976 zu Gunsten der Klägerin entschieden; das Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig.

Seit etwa 1977 nahm die Klägerin nicht mehr am wirtschaftlichen Verkehr teil. Mit Beschluss vom 22. März 1977 lehnte das Amtsgericht…den Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse ab. Mit dem seit dem 13. April 1977 rechtskräftigen Beschluss wurde die Klägerin aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt befand sie sich in Liquidation; Liquidator war der frühere Mitgesellschafter und alleinige Geschäftsführer AX. In dieser Eigenschaft führte er für die Klägerin den Rechtsstreit gegen V fort.

Das Landgericht…sprach der Klägerin mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 10. April 1987 einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 606.925 DM nebst Zinsen zu; die Zahlung war wegen der vorrangigen Abtretung an BX zu ihren Gunsten auf ein Anderkonto eines Notars zu überweisen. Am 10. August 1987 zahlte V einen Gesamtbetrag von 1.520.529,33 DM auf dieses Konto ein. Entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung vom 4. September 1986 verteilte der Notar in Ansehung von Abtretungen und Pfändung...

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