Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung der Neufassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 auf Investitionen, die vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 20.12.2000 getätigt wurden

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Neufassung von § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 stellt ein gegenüber der vorherigen Rechtslage belastendes Gesetz dar, weil sie nicht nur eine schon bisher praktizierte Rechtsüberzeugung festschreibt oder eine bisher bestehende Rechtslage lediglich klarstellt.
  2. Das Fehlen einer Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich der Neufassung durch das ÄndG vom 20.12.2000 erweist sich als Gesetzeslücke, die im Wege verfassungskonformer Auslegung in der Weise zu schließen sein könnte, dass die Neufassung nicht für Investitionen gilt, die ein Investor vor dem ÄndG vom 20.12.2000 getätigt hat oder zu deren Durchführung er sich schon vor dem 28.12.2000 rechtsverbindlich verpflichtet hat.
 

Normenkette

InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 . S. 2

 

Streitjahr(e)

2000, 2001

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner von der Antragstellerin (Ast.) Investitionszulage zurückfordern durfte.

Die Ast. erwarb, sanierte und veräußerte Wohnungseigentum in den neuen Bundesländern und nahm hierfür regelmäßig Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Investitionszulagegesetz (InvZulG) in Anspruch.

Das Finanzamt bewilligte zunächst für Investitionen der Ast. unter Vorbehalt der Nachprüfung Investitionszulage für die Jahre 2000 und 2001. Unter Hinweis auf § 164 Abs. 2 AO forderte das Finanzamt im Februar 2003 (18.02.2003) die Zulage zurück, soweit die Erwerber der Objekte erhöhte Abschreibungen nach § 7 i EStG in Anspruch genommen hatten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG sei eine Bewilligung von Investitionszulage ausgeschlossen, da eine doppelte Begünstigung derselben Baumaßnahme durch den Abzug von erhöhten Abschreibungen auf Seiten des Erwerbers und zusätzlich der Gewährung von Investitionszulage auf Seiten des Veräußerers nicht zulässig sei.

In der Hauptsache ist eine Klage unter dem Aktenzeichen 2 K 476/03 anhängig.

Die Ast. ist der Auffassung, das in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 enthaltene Kumulationsverbot greife – jedenfalls im vorliegenden Fall – nicht, auch wenn die Erwerber der Wohnobjekte erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen haben. Vielmehr habe die ursprünglichen Fassung von § 3 Abs. 1 Satz InvZulG den Ausschluss von Investitionszulage für den Fall nicht vorgesehen, in dem der Antragsteller Investitionszulage erhalte, die Wohnobjekte veräußere und der Erwerber erhöhte Absetzungen in Anspruch nehme. Erst durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des InvZulG 1999 vom 20.12.2000 sei § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 neu gefasst worden. In der Neufassung habe der Gesetzgeber erstmals geregelt, dass Investitionszulage dann nicht gewährt werden könne, wenn der Erwerber erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen habe. Da die Ast. sich aber für sämtliche Investitionen bereits rechtsverbindlich vor Dezember 2000, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des InvZulG 1999, verpflichtet habe, könne sie sich auf Vertrauensschutz berufen.

Die Ast. beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist weiterhin der Auffassung, es bestünden keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides. Die bereits bewilligte Investitionszulage könne zurückgefordert werden. Die Neufassung von § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 habe lediglich klarstellenden Charakter gehabt. Daher habe die Neufassung des Wortlautes nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung geführt.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall gegeben.

Die Neufassung der Begünstigungsvorschrift durch das Änderungsgesetz vom 20.12.2002 stellt nach summarischer Prüfung keine Klarstellung der bisherigen Regelung, sondern eine materielle Rechtsänderung dar. Das Fehlen einer Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich der ...

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