Mit der ab VZ 2022 geltenden – durch das JStG 2022 nochmals modifizierten – Neufassung des § 14 Abs. 4 KStG wurde die bisherige Ausgleichspostenregelung durch eine "einfache Einlagelösung" ersetzt – und zwar dahingehend, dass

  • Minderabführungen als Einlage und
  • Mehrabführungen als Einlagenrückgewähr

zu behandeln sind.

Zur Klarstellung: Das Einlagemodell betrifft ausschließlich in organschaftlicher Zeit verursachte Abführungsdivergenzen, d.h. die in § 14 Abs. 3 KStG geregelte Behandlung vororganschaftlich verursachter Abführungsdivergenzen wird durch das Einlagemodell nicht tangiert.

Reaktion der Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 29.9.2022: Die Finanzverwaltung hat auf das Einlagemodell zeitnah mit einem umfangreichen und für die Beratungspraxis hilfreichen Anwendungsschreiben – nachfolgend nur "BMF-Schreiben" – reagiert.[5] Zu den damit verbundenen wesentlichen Änderungen folgender Überblick:

Auswirkungen auf den steuerlichen Beteiligungsbuchwert: Eine Minderabführung erhöht aufgrund ihres Einlagecharakters den steuerlichen Buchwert der Beteiligung des OT an der OG. Umgekehrt reduziert eine Mehrabführung als Einlagenrückgewähr diesen Buchwert (vgl. Rz. 2–4 des BMF-Schreibens).

Beteiligungsquote: Auch wenn der OT mit weniger als 100 % an der OG beteiligt ist, wird die Abführungsdivergenz in vollem Umfang als Einlage bzw. Einlagenrückgewähr behandelt (vgl. Rz. 4 des BMF-Schreibens).

Saldierung von Abführungsdivergenzen: Beim OT ist eine Saldierung von Minder- und Mehrabführungen zulässig, nicht hingegen auf Ebene der OG (vgl. Rz. 5, 6 des BMF-Schreibens).

Veräußerungsähnlicher Ertrag beim OT: Übersteigen die Mehrabführungen an den OT die Summe aus Beteiligungsbuchwert und Minderabführungen, erzielt der OT einen veräußerungsähnlichen Ertrag – und zwar in Höhe des übersteigenden Betrages. Auf diesen Ertrag sind

entsprechend anzuwenden (vgl. § 14 Abs. 4 S. 5 KStG[6]).

Ist der OT eine Kapitalgesellschaft, erzielt dieser einen steuerlichen Veräußerungsgewinn, soweit in einem Wirtschaftsjahr der Saldo aus steuerlich relevanten Mehr- und Minderabführungen positiv ist; dieser abführungsbedingte Ertrag ist nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG begünstigungsfähig und deswegen in der Regel zu 95 % steuerfrei (vorbehaltlich der § 8b Abs. 7, 8 KStG, die zur vollen Steuerpflicht führen) und unterliegt nicht dem Kapitalertragsteuerabzug, da es sich um eine Einlagenrückgewähr handelt (vgl. Rz. 2, 11 des BMF-Schreibens).

Handelt es sich hingegen beim OT um eine Personengesellschaft, ist ein solcher Ertrag aufgrund des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % steuerpflichtig, soweit natürliche Personen am OT beteiligt sind. Im bisherigen Recht führten solche Erträge nicht unmittelbar zu einer Mehrsteuer, sondern nur zu einer erfolgsneutralen Bildung passiver Ausgleichsposten, die erst bei einer Veräußerung oder einem veräußerungsähnlichen Szenario ertragswirksam aufzulösen waren.[7]Mit dem Einlagemodell ist dieser auf den Ausgleichsposten basierende Stundungseffekt entfallen.

Beraterhinweis Darin dürfte der wohl gravierendste Effekt der Neuregelung liegen. Denn in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen können jetzt eine unerwartete Mehrsteuer auslösen.

Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto: Die Mehrabführungen mindern das steuerliche Einlagekonto unmittelbar, also auch dann, wenn die OT über ausschüttbares handelsbilanzielles Eigenkapital verfügt (§ 27 Abs. 6 S. 2 KStG), wodurch das steuerliche Eigenkapitalkonto auch negativ werden kann (§ 27 Abs. 1 S. 4, Halbs. 2 KStG).

Zeitpunkt der abführungsbedingten Einlageeffekte: Die abführungsbedingte steuerliche Einlage bzw. Einlagenrückgewähr tritt gem. § 14 Abs. 4 S. 7 KStG steuerlich in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem die organschaftliche Abführungsdivergenz anfällt (vgl. auch Rz. 6 des BMF-Schreibens).

[5] BMF v. 29.9.2022 – IV C 2 - S 2770/19/10004:007 – DOK 2022/0912541, DB 2022, 2512 = GmbH-StB 2022, 351 (Schwetlik) (vgl. dazu auch Reifarth-Belli, NWB 46/2022, 3222; Rickermann StuB 23/2022, 893). Zu beachten ist, dass das BMF-Schreiben nicht die zu § 14 Abs. 4, § 34 Abs. 6e KStG ergangenen Änderungen (aufgrund des JStG 2022) berücksichtigt. Diese Änderungen bestehen aber zu einem wesentlichen Teil darin, dass im BMF-Schreiben vertretene Rechtsauffassungen gesetzlich "festgeschrieben" werden.
[6] Dieser Satz 5 wurde erst mit dem JStG 2022 in den neuen "§ 14 Abs. 4 KStG" eingefügt und dürfte rein klarstellenden Charakter haben; insbesondere geht das BMF-Schreiben in der Tz. 26 auch für die vor dem JStG 2022 geltende Fassung des § 14 Abs. 4 KStG davon aus, dass die steuerbaren Mehrabführungen nach § 8b Abs. 2, 3, 6, 7 und 8 KStG und dem Teileinkünfteverfahren begünstigt seien. Demgegenüber weisen Frey/Aschenbrenner (DB 2022, 2820 ff. unter III.6) für diese Vorgängerfassung darauf hin, dass mangels einschlägiger BFH-Rechtsprechung ein Risiko bestehe, dass steuerbare Mehrabführungen voll steuerpflichtig seien. Dieser nachvollziehbare ...

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