Verschärfende Regelung für VZ ab 2023 ...: Nach dem ATE 2022 sind ebenfalls privilegiert Tätigkeiten der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe bei der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit. Diese waren zwar zuvor schon begünstigt. Für VZ ab 2023 wird jedoch verschärfend verlangt, dass eine Projektförderung unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Mitteln zu mindestens 75 % vorliegt (ATE 2022 Rz. 4).

... durch geforderte 75%ige Förderung aus öffentlichen Mitteln: Das Erfordernis einer 75%igen Förderung aus öffentlichen Mitteln hatte die Finanzverwaltung im Einzelfall schon zuvor gefordert.[11] Dies dürfte darauf beruhen, dass der Arbeitslohn aus einer öffentlichen Entwicklungshilfe gezahlt werden muss.[12] Bisher ist aber die 75 %-Grenze im Zusammenhang mit Regelungen gefordert worden, die eine "im Wesentlichen" erfolgte Finanzierung aus öffentlichen Mitteln verlangt,[13] die der ATE 1983 gerade nicht voraussetzt. Dies spricht für das Erfordernis einer (fast) vollständigen öffentlichen Finanzierung.[14]Beachten Sie: Die Auffassung der Finanzverwaltung zum Ausmaß der Förderung von 75 % zum ATE 1983 wirkt also zugunsten der Steuerpflichtigen. In den Fällen der Kofinanzierung durch öffentliche Mittel anderer Staaten gelten weitere Besonderheiten (s. dazu Ausführungen unter 10.d).

Deutsche öffentliche Entwicklungshilfe: Darüber hinaus versteht die Finanzverwaltung den Passus "deutsche öffentliche Entwicklungshilfe" so, dass nur solche Entwicklungshilfemaßnahmen erfasst werden, die unmittelbar aus deutschen Haushaltsmitteln finanziert werden. Das ist nicht zu beanstanden. Denn ist – wie hier – objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter die Verwaltungsanweisung fällt, ist es Sache der Verwaltungsbehörden, zu entscheiden, ob die Regelung anzuwenden ist oder nicht. Die Gerichte dürfen deshalb Verwaltungsanweisungen – und damit auch den ATE – nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.[15]

Kein Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz: Die Begünstigung nur unmittelbarer aus dem deutschen Haushalt fließender Mittel verstößt nach Auffassung des BFH nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Gleichheitssatz:[16] Dies ergebe sich schon daraus, dass die in § 34c Abs. 5 EStG angelegte und im ATE umgesetzte steuerliche Bevorzugung bestimmter Auslandstätigkeiten von einem Gesichtspunkt – nämlich der Förderung bestimmter Bereiche der deutschen Volkswirtschaft – getragen werde, der auch aus verfassungsrechtlicher Sicht neben die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze trete und insbesondere gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zurücktreten müsse. Dementsprechend habe das BVerfG[17] – zu der mit § 34c Abs. 5 EStG inhaltlich übereinstimmenden Vorgängerregelung – eine Eingrenzung der steuerlichen Begünstigung auf Maßnahmen zur Förderung der Außenwirtschaft im o.g. Sinne nicht beanstandet, sondern eine solche sogar für geboten erachtet.

Vorlage an den EuGH: Allerdings hat der BFH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine steuerfreie "begünstigte Tätigkeit" nach dem ATE nicht vorliegt, wenn ein Entwicklungshilfeprojekt nicht i.R.d. deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe stattfindet, sondern durch Mittel der EU finanziert wird.[18]

Beraterhinweis In vergleichbaren Fällen sollte gegen LSt-Voranmeldungen/ESt-Steuerfestsetzungen Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel ergriffen werden.

Beachten Sie: Sämtliche der vorgenannten begünstigten Tätigkeiten sind auch dann begünstigt, wenn sie von Leiharbeitnehmern ausgeführt werden.[19] Irrelevant für die Begünstigung ist mangels Differenzierung im ATE 2022 auch, ob die Tätigkeit nur als eine Hilfstätigkeit anzusehen ist.

[11] Vgl. mittelbar die Nachweise bei BFH v. 13.7.2021 – I R 20/18, EStB 2022, 83 (Apitz); sowie die Vorentscheidung durch FG Köln v. 22.3.2018 – 7 K 585/15, EFG 2018, 1748 Rz. 32.
[12] Ebenso Schönfeld/Plenker/Schaffhausen, Lexikon für das Lohnbüro, 64. Aufl. 2022, Stichwort "Auslandstätigkeit, Auslandstätigkeitserlass", Nr. 5 Buchst. b, unter Hinweis darauf, dass die deutsche öffentliche Entwicklungshilfe nur vorliege, wenn der Arbeitslohn im Rahmen einer Projektförderung mindestens zu 75 % aus öffentlichen Mitteln getragen werde.
[14] Vgl. BFH v. 28.3.2018 – I R 42/16, EStB 2018, 383 (Glanemann): mindestens 90 % unter Berücksichtigung der im Ertragsteuerrecht üblichen Unwesentlichkeitsgrenze von 10 %.
[18] BFH v. 13.7.2021 – I R 20/18, EStB 2022, 83 (Günther); Az. des EuGH: C-15/22.
[19] Vgl. Fußnote 4 zum ATE 1983; im ATE 2022 wird ein Ausschluss von Leiharbeitnehmern gar nicht mehr thematisiert, so dass ein EU-/EWR-Arbeitgeber auch insoweit anzunehm...

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