In zwei Entscheidungen hat der deutsche Bundestfinanzhof (d-BFH) Urteile vom 8.9.2010 und 1.9.2010 – den Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben versagt, wenn der Erwerber eine andere USt-IdNr. verwendet als die des Bestimmungslandes der Ware.

In beiden Fällen kauften deutsche Unternehmer Ware unter Verwendung ihrer deutschen USt-IdNr. innergemeinschaftlich ein. Bestimmungsland der Ware war jedoch nicht Deutschland. Die innergemeinschaftlichen Erwerbe wurden nicht im EU-Bestimmungsland der Ware (§ 3d S. 1 d-UStG), sondern im Land der verwendeten USt-IdNr., also in Deutschland (§ 3d S. 2 d-UStG), besteuert. Der Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 d-UStG) wurde zeitgleich vorgenommen.

Die Erwerbsbesteuerung und insbesondere der Vorsteuerabzug erfolgten somit im "falschen" Staat, denn grundsätzlich ist der Erwerb im Warenbestimmungsland zu erklären. Im Raum stand auch der Vorwurf der Einbindung der Unternehmen in ein Umsatzsteuerkarussell.

Der EuGH hatte in seinen Urteilen "X und Facet Trading BV" (Urteile jeweils vom 22.4.2010 – C-536/08 und C-539/08) für derartige Fallkonstellationen (Verwendung einer vom Bestimmungsland abweichenden USt-IdNr.) die Besteuerungspflicht im Land der verwendeten USt-IdNr. bejaht, eine Entlastung qua zeitgleichem Vorsteuerabzug jedoch verneint. Aus diesem Grund kann man auch von einer "Straf-Erwerbsteuer" sprechen, die dem Ziel dient, dass Unternehmer die systembedingten Spielregeln einhalten und sich compliant verhalten. Hand aufs Herz: Irgendwie nachvollziehbar, denn wahrscheinlich ist der Abfluss von EBIT-relevantem Geld die effektivste "erzieherische Maßnahme", eine Verhaltungsänderung herbeizuführen.

In seiner Entscheidung hat der d-BFH den Vorsteuerabzug versagt, indem er das nationale Recht (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 d-UStG) im Lichte der EuGH-Rechtsprechung "X" und "Facet Trading BV" einschränkend auslegte. Der in den Vorinstanzen thematisierte Missbrauchsvorwurf war folglich nicht entscheidungserheblich, da sich die Versagung des Vorsteuerabzugs bereits aus der teleologischen Gesetzesauslegung ergab.

Beraterhinweis Wareneinkäufe aus dem EU-Ausland müssen im ERP-System daher zwingend nach Fallkonstellationen unterschieden werden, in denen Bestimmungsland der Ware gleich der verwendeten USt-IdNr. ist und in Fälle, in denen das Bestimmungsland der Ware und das Land der verwendeten USt-IdNr. voneinander abweichen. In letzteren Fällen darf keine korrespondierende Vorsteuer zur Erwerbsteuer im ERP-System gebucht werden. Falls dies doch geschieht, könnte der Vorwurf einer Steuerverkürzung drohen.

Nach Meinung des d-BFH erfolgt die Entlastung des Unternehmers von der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Fall des § 3d Satz 2 d-UStG nicht durch die Gewährung des Vorsteuerabzugs, sondern durch eine Verminderung der Bemessungsgrundlage, wenn der Unternehmer die Besteuerung im EU-Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung bzw. Beförderung der Ware nachweist. Eine etwaige Berichtigung ist "ex nunc" in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland der Ware gegenüber der Finanzverwaltung erbracht worden ist.

Sofern ein Dreiecksgeschäft nicht vorliegt, gilt: Deutsche Unternehmen, die Wareneinkäufe aus dem EU-Ausland (z.B. aus Spanien) unter ihrer deutschen USt-IdNr. als innergemeinschaftliche Erwerbe in Deutschland erklären, obwohl die Waren nicht nach Deutschland, sondern direkt in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert werden, müssen folglich die Erwerbsteuer in Deutschland mangels Vorsteuerabzug vorfinanzieren und können die Erwerbsteuer erst in dem Voranmeldungszeitraum berichtigen, in dem gegenüber dem deutschen Finanzamt die Erwerbsbesteuerung im EU-Bestimmungsland der Ware nachgewiesen wurde.

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