Verbleibende Fragen: Fraglich ist letztendlich noch zum einen, wann ein fehlerhaftes (Gesamt-)Dokument, das der Steuerpflichtige vorlegt, so fehlerhaft ist, dass den Finanzbehörden die für die Bejahung des Vorsteuerabzugs bzw. Erstattungsantrags erforderlichen Angaben fehlen, und es deshalb nicht als Rechnung angesehen werden kann. Zum anderen, ob ein fehlerhaftes (Gesamt-)Dokument korrigiert werden kann oder muss, je nachdem, ob es als Rechnung angesehen werden kann oder nicht.

"Mindestangaben" lt. BFH: Bei den Angaben, die sich mindestens aus dem Gesamtdokument ergeben müssen, würde es sich nach der Rechtsprechung des BFH wohl um den Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer handeln.[42] Diese Angaben finden sich allerdings nicht im Gesetz. Die Erforderlichkeit ihres Vorliegens ist lediglich vom BFH aus seinem Verständnis vom Sinn und Zweck der mehrwertsteuerlichen Vorschriften abgeleitet worden.

Bundesfinanzgericht: Das österreichische Bundesfinanzgericht z.B. sieht die Angabe des Umsatzsteuerbetrags nicht als erforderlich an und lässt bei Fehlen der Mindestangaben den Nachweis zu, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind.[43]

EuGH ergebnisoffen: Der EuGH hat sich hierzu bislang noch nicht geäußert und hat es auch in der vorliegenden Entscheidung, wie gesagt,[44] vermieden, sich auf bestimmte Angaben festzulegen, obwohl auch die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen auf die Rechtsprechung des BFH und die "fünf essenziellen Angaben" verwiesen hatte.[45] Er entscheidet, wie so oft, eher situationsbezogen und wird daher auch in Zukunft möglicherweise nicht bestimmte Angaben fordern, die für alle Fälle gelten. Die Auffassung des BFG jedenfalls scheint näher bei den Ausführungen des EuGH zu liegen. Da die Rechtsprechung zweier höchster Gerichte nicht einheitlich ist, wäre wohl eine Vorlage an den EuGH obligatorisch.

Korrektur eines "akzeptablen" Gesamtdokuments: Liegt ein (Gesamt-)Dokument vor, das die zur Begründung des Vorsteuerabzugs/Erstattungsantrags erforderlichen Angaben enthält, würde sich die Frage stellen, ob die gem. Art. 226 MwStSystRL fehlenden Angaben nachträglich ergänzt werden müssen (soweit sie sich nicht ohnehin aus weiteren vorgelegten Informationen ergeben). Diese Frage ist wohl zu verneinen, wenn die fehlenden Angaben nicht den sicheren Nachweis verhindern, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (vgl. oben II.1.). Ein zusätzlicher Nutzen würde sich in diesem Fall aus einer Ergänzung nicht ergeben. Das Verlangen die Angaben zu ergänzen würde daher gegen die Grundsätze der Neutralität und Verhältnismäßigkeit verstoßen.[46]

Korrektur eines nicht "akzeptablen" Gesamtdokuments: Liegt ein (Gesamt-)Dokument vor, das die zur Begründung des Vorsteuerabzugs/Erstattungsantrags erforderlichen Angaben nicht enthält (weil sie sich auch nicht aus anderen bei der Prüfung einzubeziehenden Informationen ergeben[47]), müsste der Leistungsempfänger zusehen, dass er den Finanzbehörden Informationen zumindest über die fehlenden erforderlichen Angaben verschafft. Dabei würde sich wieder die Frage stellen, ob diese Ergänzungen auf den Zeitpunkt des Zugangs des nicht vollständigen Dokuments beim Leistungsempfänger zurückwirken oder nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH wäre dies wohl nicht der Fall, weil keine korrekturfähige "Erstrechnung" vorgelegen hat,[48] während z.B. das österreichische Bundesfinanzgericht, wie vorstehend dargestellt, bei Fehlen der Mindestangaben den Nachweis zulässt, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind.

[43] Vgl. BFG v. 11.1.2017 – RV/7101049/2010: "Im Urteil EuGH vom 15.9.2016 – C-516/14 (Barlis 06) hat der Europäische Gerichtshof die Vorlagefragenach den Anforderungen an die Rechnungsangaben dahingehend beantwortet, dass in einer Rechnung zumindest angeführt sein muss, wer wann an wen was geleistet hat und wie hoch das Entgelt gewesen ist. Fehlt eine dieser Mindestanforderungen an eine Rechnung oder sind die Angaben in der Rechnung fehlerhaft, ist ein Vorsteuerabzug nur dann zulässig, wenn die Beschwerde führende Partei den Nachweis erbringt, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, ist der Vorsteuerabzug zu versagen."
[44] S. oben II.2.
[45] Vgl. EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 22.4.2021 – C-80/20 – Wilo Salmson France SAS Rz. 93.
[46] Generalanwalt Saugmandsgaard Øe spricht in seinen Schlussanträgen v. 6.4.2016 – C-24/15 – Plöckl, UR 2016, 882 Rz. 83 ff. vom "Grundsatz der Ablehnung von Formalismus".
[47] EuGH v. 15.9.2016 – C-516/14 – Barlis, UR 2016, 795 Rz. 44.

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