Leitsatz

ESt-Nachzahlung für Lohneinkünfte während eines Insolvenzverfahrens ist keine Masseverbindlichkeit.

 

Normenkette

§ 55, § 35, § 36, InsO, § 850e, § 850f ZPO

 

Sachverhalt

Über das Vermögen der beiden Insolvenzschuldner, die Ehegatten M und F ist jeweils das Verbraucher­insolvenzverfahren eröffnet worden. K wurde jeweils zum Treuhänder bestellt. M und F waren beide ausschließlich nichtselbstständig tätig. Ms Arbeitgeber behielt LSt (Steuerklasse 3) ein und kehrte den pfändbaren Lohnanteil an die Insolvenzmasse aus. Bei F wurde Steuerklasse 5 zugrunde gelegt, dort verblieben keine pfändbaren Lohnanteile. Das FA erließ für die Insolvenzschuldner an K einen ­ESt-Bescheid, der zu einer Nachzahlung führte. K wandte sich gegen die Einordnung der Steuerschuld als Masseverbindlichkeit. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.2009, 2 K 1231/08, Haufe-Index 2648390, EFG 2011, 994) gab der Klage überwiegend statt. Dagegen wandte sich das FA mit Revision.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall führt die Rechtsprechung des VI. Senats (Urteil vom 24.02.2011, VI R 21/10, BFH/NV 2011, 1083, BFH/PR 2011, 292) zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der LSt fort. Die ESt-Schuld, die dadurch entstanden war, dass die Insolvenzschuldner einer nichtselbstständigen Arbeit nachgegangen waren, wurde nicht zur insolvenzrechtlich bevorzugten Masseverbindlichkeit.

1.Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO kommt hier nicht in Betracht. Denn die Entstehung der Schuld muss auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Eine solche Verwaltungsmaßnahme des K lag insbesondere nicht in der Arbeitstätigkeit der Insolvenzschuldner. Dabei spielt weder eine Rolle, dass K von der Tätigkeit wusste, noch, dass das Arbeitseinkommen als Neuerwerb teilweise zur Masse gelangte und sie vermehrte und auch nicht, dass K die Wahl der LSt-Klassen nicht selbst vorgenommen hatte. Dazu konnte der VI. Senat des BFH auf Rechtsprechung des BGH verweisen, wonach das Recht der Steuerklassenwahl auch während eines Insolvenzverfahrens bei den Insolvenzschuldnern bleibt (BGH, Beschluss vom 03.07.2008, IX ZB 65/07, ZInsO 2008, 976).

2. Das FG hatte eine davon abweichende Auffassung vertreten. Es hatte nämlich den pfändbaren Anteil des zur Masse gezogenen Arbeitslohns ermittelt (§ 850, § 850a, § 850c ZPO) und die darauf anteilig nach dem Verhältnis des Gesamtbetrags der Einkünfte (37 765 EUR) zu dem pfändbaren Arbeitslohn (759 EUR) entfallende ESt (82 EUR) als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beurteilt.

3. Der BFH vertrat dagegen eine andere Auffassung. Er blieb auch hier dabei, dass die Steuerschuld der Insolvenzschuldner insgesamt keine Masseverbindlichkeit ist.

4. Der BFH konnte dennoch nicht die dem entsprechende Rechtslage herstellen. Denn im Besprechungsfall hatte nicht K, sondern lediglich das FA Revision eingelegt, sodass nicht weiter zugunsten von K (82 EUR) entschieden werden konnte, sondern lediglich die Revision des FA zurückzuweisen war. Dies war letztlich Folge des auch im Revisionsverfahren geltenden Verböserungsverbots, das der Verschlechterung der Rechtsposition des FA entgegenstand.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.07.2011 – VI R 9/11

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