Leitsatz

1. Die Gestellung von in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren im Sinn des Art. 4 Nummer 19 Zollkodex betrifft alle Waren, und zwar auch versteckte oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichte Waren. Die in Artikel 38 des Zollkodex' vorgesehene Gestellungspflicht gilt nach Artikel 40 des Zollkodex' für den Fahrer und den Beifahrer eines Lastzugs, die diese Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben, auch dann, wenn die Waren ohne ihr Wissen in dem Fahrzeug versteckt oder verheimlicht wurden.

2. Die Person, die die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat, ohne sie in der Gestellungsmitteilung anzugeben, ist Abgabenschuldner im Sinn des Artikels 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich des Zollkodex'.

 

Normenkette

Art. 4 Nr. 19 ZK , Art. 38 Abs. 1 ZK , Art. 40 ZK , Art. 202 Abs. 1 ZK , Art. 202 Abs. 3 ZK

 

Sachverhalt

Ein Lkw-Fahrer und sein Beifahrer wurde vom HZA wegen des Einschmuggelns von unversteuerten Zigaretten auf Eingangsabgaben in Anspruch genommen. Die Zigaretten waren angeblich von den beiden unbemerkt von dritter Seite in das Dach des Aufliegers ihres Lkws eingearbeitet worden, bevor dieser zur Beladung angeliefert wurde. Die Art des Verstecks, so machten sie geltend, sei nicht geeignet gewesen, ihren Argwohn zu wecken. Da ihnen dies nicht zu widerlegen war, konnten sie nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft werden.

Der BFH hatte Zweifel, ob sie gleichwohl wegen der Eingangsabgaben nach Maßgabe des Zollkodex' in Anspruch genommen werden könnten, ob sie also i.S.d. Art. 202 Zollkodex die Personen gewesen seien, die die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben und dadurch Abgabenschuldner geworden sind.

 

Entscheidung

Der EuGH hatte diese Zweifel nicht. Aus Wortlaut und Systematik des Zollkodex' ergebe sich klar, dass alle in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren zu gestellen sind. Der Umstand, dass bestimmte Waren in Verstecken des Fahrzeugs, in dem sie befördert werden, verheimlicht werden, bewirke nicht, dass sich diese Verpflichtung nicht auf sie erstreckt.

Anzumelden hätten die Waren diejenigen, die die Herrschaft über das Fahrzeug im Zeitpunkt der Verbringung haben, nämlich u.a. der Fahrer und sein Beifahrer, aber auch ein anderer, der für die Waren Verantwortung trägt und sich im Fahrzeug befindet. Diese seien Abgabenschuldner, wenn sie Waren in dieser Weise – d.h. ohne dass die in einem Fahrzeug ohne Wissen des Fahrers versteckte Ware Gegenstand der vom Fahrer abgegebenen Gestellungsmitteilung gewesen ist – vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben. Dass andere für dieselben Waren aufgrund anderer Bestimmungen des Zollkodex' ebenfalls Abgabenschuldner sind, ändere daran nichts.

 

Hinweis

1. Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird (Art. 202 Abs. 1 ZK). Zollschuldner ist nach Art. 202 Abs. 3 ZK u.a. die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat.

Die beim Verbringen von Waren in das Zollgebiet zu beachtenden Vorschriften schreiben vor, dass die Waren vom Verbringer unverzüglich zu einer Zollstelle zu verbringen und dort von demjenigen zu "gestellen" sind, welcher die Waren in das Zollgebiet verbracht hat oder die Beförderung nach dem Verbringen übernimmt.

"Gestellung" ist nach Art. 4 Nr. 19 ZK die Mitteilung an die Zollbehörde, dass sich die Waren bei der Zollstelle befinden.

2. Diese Vorschriften stellen in keiner Weise auf subjektive Merkmale wie das Wissen desjenigen ab, der die Waren bei sich führt. Das entspräche auch schwerlich den Belangen des Zolls, der desjenigen, der die Ware bei sich führt, habhaft ist, während er dessen Hintermänner, die ihn mit dem Warentransport beauftragt und ihm Ware möglicherweise untergeschoben haben, nicht habhaft werden kann und das Verhältnis zwischen diesen Personen nicht aufklären kann. Der ZK weist demjenigen, der mit Ware bei der Zollstelle erscheint, mithin eine Garantiestellung für die Eingangsabgaben zu: Er muss die tatsächlich mitgeführten Waren der Zollbehörde angeben, oder er schuldet dieser wegen vorschriftswidrigen Verbringens derselben die Eingangsabgaben.

3. Der EuGH hat in dieser Entscheidung diese an sich einfachen und plausiblen Zusammenhänge erfreulich eindeutig herausgestellt und damit Versuchen, die Abgabenschuldnerschaft von Verschuldensgesichtspunkten abhängig zu machen, einen Riegel vorgeschoben. Damit erledigt sich die vom BFH erwogene feinsinnige, wohl von der strafrechtlichen Figur der mittelbaren Täterschaft inspirierte Differenzierung zwischen dem Verbringen, das auch der ahnungslose Fahrer hinsichtlich in seinem Fahrzeug versteckter Ware zweifellos bewirkt, und dem Verbringer, welches nicht der Fahrer, sondern derjenige sein sollte, der sich des Fahrers als ahnungslosen Werkzeugs des Verbringens bedient. Sie hatte wohl von Anfang an den natürlichen Sprachsinn gegen sich, der jeman...

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