Leitsatz

1. In einem Beförderungsmittel eingeführte versteckte oder verheimlichte Waren sind nur gestellt, wenn ihr Vorhandensein der zuständigen Zollstelle ausdrücklich mitgeteilt wird. § 8 Satz 2 ZollV ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

2. Gestellungs- und mitteilungspflichtig (Nr. 1) sind all die Personen, die die Herrschaft über das Beförderungsmittel im Zeitpunkt der Verbringung haben, nämlich der Fahrer, der das Fahrzeug lenkt, und sein Beifahrer oder Ersatzmann, sofern er sich im Fahrzeug befindet, sowie jede andere sich im Fahrzeug befindende Person, wenn sie nachweislich hinsichtlich der Verbringung der Waren die Verantwortung trägt (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 4.3.2004, Rs. C-238/02 und C-246/02).

3. Bereits die objektive Verletzung der Gestellungspflicht führt zur Entstehung der Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK in der Person des Gestellungspflichtigen. Etwaige Härten können im Einzelfall im Rahmen der allgemeinen Billigkeitsregelungen abgemildert werden.

 

Normenkette

Art. 4 Nr. 19 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 38 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 40 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 202 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 213 VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 233 Unterabs. 1 Buchst. d VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) , § 21 TabStG , § 8 Satz 2 ZollV

 

Sachverhalt

Ein Lkw kam, mit Paletten beladen, in die Gemeinschaft. Diese wurden an der Grenze zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt. Bei einer späteren Kontrolle im Binnenland wurde festgestellt, dass in dem dafür besonders hergerichteten Dach des Aufliegers 500.000 Zigaretten versteckt waren. Das HZA nahm deshalb den Fahrer des Zugs auf Tabaksteuer (rund. 85.000 DM) in Anspruch, obwohl dieser sich unwiderlegt dahin einließ, von den Zigaretten nichts gewusst zu haben.

 

Entscheidung

Der BFH hat in diesem Verfahren eine Vorabentscheidung des EuGH (Art. 234 EG) eingeholt. Der EuGH hat für die Entscheidung des BFH sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt, eine Gestellungspflicht treffe auch einen Fahrer, der von in seinem Fahrzeug versteckten Waren nichts wisse; gebe er keine Gestellungsmitteilung für die versteckten Waren ab, werde er nach Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK Zollschuldner.

Nach dieser Vorabentscheidung war auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht zu verfehlen, dass der Lkw-Fahrer Tabaksteuer schuldet. Der BFH begnügt sich allerdings keineswegs mit dieser Erkenntnis, sondern wiederholt die wesentlichen Erwägungen seines Vorabentscheidungsersuchens erneut, mit dessen Beantwortung durch den EuGH er sichtlich unzufrieden ist; der EuGH, so rügt der BFH, sei auf die dort aufgezeigten Probleme nicht eingegangen, habe vielmehr eine Rigidität gezeigt, die exzessiv erscheinen möge!

 

Hinweis

1. Ist sich das nationale Gericht nicht sicher, wie eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auszulegen ist, kann es (als letztinstanzliches Gericht: muss es) eine Vorabentscheidung des EuGH einholen. In dem Vorabentscheidungsersuchen kann es (muss es aber nicht) darlegen, wie seiner Meinung nach das Gemeinschaftsrecht richtig auszulegen ist. Das entscheidende Wort dazu hat freilich der EuGH. Er nimmt dem nationalen Gericht in einem solchen Fall die sonst ihm obliegende Aufgabe ab, den der Entscheidung des Falls zugrunde zu legenden (gemeinschaftsrechtlichen) Rechtssatz zu bilden. Das nationale Gericht braucht dann nur noch diesen vom EuGH formulierten Rechtssatz auf den konkreten Streitfall anzuwenden und darf nur diesen Rechtssatz anwenden; denn es ist selbstredend jedenfalls in dem Verfahren, dessentwegen es den EuGH angerufen hat, an dessen Entscheidung gebunden.

Versuche, das nationale Gericht doch noch dazu zu bewegen, einen anderen Rechtssatz als den vom EuGH aufgestellten zugrunde zu legen oder den vom EuGH aufgestellten Rechtssatz sonst irgendwie "zu unterlaufen", sind deshalb im Allgemeinen wenig Erfolg versprechend. Nehmen Sie deshalb von ihnen Abstand, zumal es dem Geist der Zusammenarbeit zwischen nationalen Gerichten und EuGH widersprechen würde, dessen ausschließliche Entscheidungskompetenz in Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts mittelbar oder unmittelbar in Frage zu stellen.

2. Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn einfuhrabgabenpflichtige Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden (Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a ZK). Das gilt auch für Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer (§ 21 Abs. 2 UStG und § 21 TabStG).

3."Verbracht" ist eine Ware, wenn sie mit menschlichem Willen in das Zollgebiet der Gemeinschaft befördert wird. Ob dies wissentlich oder unwissentlich geschieht, ist sowohl nach dem natürlichen Sprachgebrauch wie nach dem Zollrecht ohne Bedeutung. Deshalb sind auch in einem Fahrzeug versteckte Waren, von denen der Fahrer (Beförderer) nichts weiß, "verbracht", wenn das Fahrzeug in das Zollgebiet gefahren wird.

4. Vorschriftswidrig ist jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich ZK (Art. 202 Abs. 1 Unterab...

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