1. Der Charakter der Absetzungen

a) Überblick

 

Rn. 9

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Die Absetzungen haben zwei Funktionen, wobei die Rspr (zB BFH BStBl II 1990, 623; aA BFH BStBl II 2008, 480 – IX. Senat; Kulosa in Schmidt, § 7 EStG Rz 1, 40. Aufl 2021 – der Kostenverteilungstheorie ist zu folgen) beide betont, dh, sie schließen sich nicht gegenseitig aus:

(1)

Kostenverteilungsfunktion:

Nach § 7 Abs 1 S 1 EStG sind die Absetzungen so zu bemessen, dass sie den Ausgangsbetrag in der Zeit der Nutzung des WG kontinuierlich bis zur vollen Absetzung verkürzen; damit soll der Ausgangsbetrag gleichmäßig auf die Gesamtnutzungsdauer des WG verteilt werden (BFH IX R 14/19, DStR 2020, 1715). Soweit die AK/HK den Ausgangsbetrag bilden, verteilen die Absetzungen die AK/HK auf diese Gesamtnutzungsdauer. Die Kostenverteilungsfunktion betonen zB BFH BStBl II 1978, 343; 1979, 624; 1983, 106; 1990, 623; 2006, 754; 2005, 698; 2008, 480; BFH/NV 1986, 402; BFH IX R 14/19, DStR 2020, 1715; Schnitter in Frotscher/Geurts, § 7 EStG Rz 18b. Auch die AfaA dient der Kostenverteilung (FG Nbg v 26.07.2017, 5 K 793/15, DStRE 2018, 1287 rkr), ebenso die AfS (s Rn 31 und s Rn 248a, 411a.

(2)

Berücksichtigung des Wertverzehrs:

Da die Absetzungen den Gesamtnutzungszeitraum des WG umfassen, spiegeln sie den aus der Abnutzung des WG sich ergebenden Wertverzehr desselben wider. Den Wertverzehrsgedanken betonen zB GrS BFH BStBl II 1968, 268; 1975, 835; 1978, 674; 1990, 50; 1992, 1000, gegen diesen ausdrücklich aber BFH BStBl II 2006, 754; 2008, 480 – jeweils IX. Senat). Die Wiederbeschaffungskosten für ein Ersatz-WG sind bedeutungslos.

 

Rn. 9a

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

ME sollte der Theorienstreit nicht überschätzt werden. Wenn auch die Kostenverteilungsfunktion mehr überzeugt, da auch bei fehlendem Wertverzehr Abschreibungen möglich sind, ergeben sich nahezu keinerlei praktische Konsequenzen aus diesem Streit.

b) Verfassungsrecht

 

Rn. 10

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Die Absetzungsregelung ist verfassungsgemäß (BVerfG StRK EStG 1975 § 4 Abs 3 R 7).

 

Rn. 10a

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Für den Zeitraum 01.01.2020–31.12.2021 (Tag der Anschaffung/Herstellung des begünstigten WG) wurde die degressive AfA nach § 7 Abs 2 EStG wieder zugelassen (Art 1 Nr 3 des 2. Corona-SteuerhilfeG v 29.06.2020, BGBl I 2020, 1512, anzuwenden ab 01.01.2020 durch § 52 Abs 1 EStG, s BT-Drucks 19/20058, 22), s Rn 33. Somit liegt der Tag der Gesetzesverkündung (29.06.2020) ca. ½ Jahr vor dem Inkrafttreten, jedoch noch innerhalb desselben VZ. Es handelt sich damit um eine sog unechte Rückwirkung iSd Rspr des BVerfG (s § 2 Rn 359bff (Handzik)). Trotz der gestiegenen Anforderungen an deren Zulässigkeit ist diese aber wegen deren begünstigenden Wirkung der degressiven AfA mE zulässig. Dass die degressive AfA nur zulässig ist, wenn die Anschaffung/Herstellung des betreffenden WG in einem bestimmten Zeitraum (01.01.2020–31.12.2021) erfolgt, ist gleichfalls nicht zu beanstanden, weil der Gesetzgeber nicht endlos Vergünstigungen gewähren muss und eine Beschränkung auf 2 Jahre dem Ziel, die Auswirkungen der Corona-Pandemie für Unternehmen zu lindern, ein geeignetes Mittel ist.

c) Europarecht

 

Rn. 10b

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ME verstößt keine der AfA-Formen in § 7 EStG gegen Art 107 Abs 1 AEUV (glA Schnitter in Frotscher/Geurts, § 7 EStG Rz 1a). Dies gilt auch für die befristet (s Rn 2c, 33, 277ff) wiedereingeführte degressive AfA, weil auch Art 107 Abs 2 Buchst b AEUV einschlägig wäre, wonach Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, die zur Beseitigung von Schäden dienen, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; die Gesetzesbegründung verweist auch ausdrücklich auf die Corona-Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen, die (die) degressive AfA abmildern soll (BT-Drucks 19/20058, 22).

 

Rn. 10c

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Das Problem der Beschränkung auf die steuerliche Förderung auf das Inland im Bereich der Abschreibungen (§§ 7ff EStG) ist nur teilweise vom Gesetzgeber gelöst:

 
Vorschrift Beschränkung auf das Inland?
§ 7 Abs 5 EStG Nein, daher EU-konform (mit dem EU-Recht konform?), s Rn 33, 425
§ 7b EStG Nein, daher EU-konform, s § 7b Rn 7, 8 (Handzik)
§ 7c EStG Nein, daher EU-konform
§ 7g Abs 1 S 1, Abs 4 S 1 Ja, daher unionsrechtswidrig , s § 7g Rz 25–29 (Handzik)
§ 7h Abs 1 S 1 EStG Ja, daher unionsrechtswidrig, s § 7h Rz 2d–2g (Handzik)
§ 7i Abs 1 S 1 EStG Ja, daher unionsrechtswidrig, s § 7i Rz 1g–1k (Handzik)

d) Die Kostenverteilungsfunktion

 

Rn. 11

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Die Kostenverteilungsfunktion ist zunächst nur rechnerisch bedeutsam: Bemessungsgrundlage für die Absetzungen sind die AK/HK oder eine Ersatzgröße, deren Betrag wird auf die Gesamtnutzungsdauer des WG verteilt. Eine Folge davon ist, dass diese Kostenverteilung den StPfl entlastet.

 

Rn. 12

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Die Kostenverteilungsfunktion ergibt sich für:

 
Gewinneinkünfte (§ 2 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG) Überschusseinkünfte (§ 2 Abs 2 S 1 Nr 2 EStG)
aus der systematischen Stellung des § 7 EStG im Unterabschnitt 3 ("Gewinn") des 2. Abschn des EStG aus der Verweisung in § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG

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